Der geübte Berlinale-Besucher hatte es schon gleich zu Beginn des Festivals gespürt und spätestens als die Zeitungskritiker Christians Petzolds Beitrag BARBARA zu ihrem Topfavoriten im Rennen um den Goldenen Bären gekürt hatten, war klar, dass Petzold nicht mit leeren Händen nach Hause gehen würde.
Die Ärztin Barbara (Nina Hoss) wird aus Berlin in die DDR-Provinz versetzt, nachdem sie einen Ausreiseantrag gestellt hat. Währenddessen kümmert sich im Westen ihr Geliebter Jörg (Mark Waschke) um die Vorbereitungen für ihre Flucht über die Ostsee in den Westen. Das Einzige was Barbara machen kann, ist warten. Die Arbeit im Krankenhaus verrichtet sie gewissenhaft, aber nur nach Plan. Die Besuche und demütigenden Leibesvisitationen der Staatssicherheit in ihrer Wohnung unter dem Kommando von Stasi-Offizier Klaus Schütz (Rainer Bock) nimmt sie ohne eine Mine zu verziehen hin. Ja, es stimmt, sie hat abgeschlossen mit dem Land, mit der DDR. Auch aus diesem Grund vermeidet sie jeden übermäßigen Kontakt mit ihren Kollegen, wohl aber auch, um sich von möglichen Stasispitzeln zu schützen. Auch den Annäherungsversuchen und dem Interesse ihres neuen Chefs André (Ronald Zehrfeld), versucht sie sich zu entziehen.
Als eines Tages das junge schwangere Mädchen Stella (Jasna Fritzi Bauer) aus dem Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau mit Verdacht auf Meningitis in die Klinik gebracht wird, versucht Barbara ihr zur Flucht zu verhelfen. André hilft ihr unaufdringlich und deckt sie bei ihren Aktionen. Doch Barbara ist verwirrt, sie ist sich nicht über seine Ziele im Klaren: ist er in sie verliebt oder arbeitet er im Auftrag der Stasi um sie zu überwachen?
Als der Tag der Flucht kommt, trifft sie eine Entscheidung: sie schickt die schwangere Stella auf das Schmugglerboot, sie soll an ihrer Stelle in den Westen fliehen. Am Ende bleiben Barbara und André allein zurück.
Ohne Zweifel, bei Petzolds Beitrag handelt es sich um einen sehenswerten Film. Doch offen gesagt, entlässt er den Zuschauer am Ende unbefriedigt aus dem Kinosaal.
Dieser Film ist ein Liebesfilm, das Porträt einer mutigen Frau, die ihre Freiheit und die Möglichkeit der Flucht im Angesicht der drohenden Verhaftung für das Wohl einer anderen, fremden Person opfert. Es ist kein Film über die Darstellung der Machenschaften und Methoden der Staatssicherheit der DDR und doch scheint gerade dies auch sein Problem.
Der Film versucht von Beginn an, die unsichere Situation von Barbara darzustellen. Eine Situation der ständigen (potentiellen) Überwachung, die sich im Misstrauen von Barbara gegenüber ihren Mitmenschen wiederspiegelt und der Frage, ob André sie verraten wird oder nicht. Der lange Arm der Stasi zeigt sich jedoch auch in solchen offensichtlichen Handlungen, wie den peinlichen Hausdurchsuchungen, die Barbara über sich ergehen lassen muss. Die wohl größte Waffe der Stasi war jedoch nicht ihre Präsenz, sondern ihre Abwesenheit, die Ungewissheit, dass jeder im Umfeld ein potentieller Spitzel sein könnte und ein normales Kollegenverhältnis – wie in diesem Fall – nur sehr schwer möglich war. Was jedoch nicht die Boshaftigkeit von Aktionen wie einer Leibesvisitation schmälert.
Doch spätestens als Gewissheit über das Schicksal von Klaus Schütz‘s erkrankter Frau besteht und er sich erkennbar der Trauer hingibt, zerfällt das Schreckgespenst Stasi, das in diesem Film immer aufrecht gehalten wird. Der „Schrecken-Apparat“ Stasi bekommt ein menschliches, verletztes Gesicht. Selbst die Unsicherheit, ob André nun ein Spion ist oder nicht, scheint zu verschwinden.
Wohl aus diesem Grund beschwingt einem am Ende des Films, das Gefühl, es wird ein „Happy End“ geben und spätestens als der Zuschauer in den zuversichtlichen Blick von Barbara schaut, erkennt er, dass sie und André zusammen bleiben werden.
Doch gerade diese Einseitigkeit ihres Blicks, der scheinbar keinen Zweifel daran lässt, dass alles gut wird, schafft ein Paradox und lässt unbefriedigt aus dem Kino. Es entsteht ein Paradox zwischen diesem Blick und dem Wissen, um die bestehende Realität, dass eigentlich nichts gut ist, alles unsicher bleiben wird. Der Film suggeriert eine positive Laune und bricht mit seiner eigenen Stimmung. Das, was eigentlich der Leitfaden zu Beginn des Films war, die Unsicherheit, die der Film stetig zu zeigen versucht, wird nicht mehr mit filmischen Mitteln, filmischer Sprache gezeigt – wie es eigentlich sein sollte. Stattdessen entsteht sie aus dem Wissen des Zuschauers, der, trotz des schönen Happy Ends eigentlich in seiner filmischen Logik, aus seiner Erfahrung weiß, dass gerade weil sie geblieben ist, es nicht gut sein wird. Das Happy End des Films verdeckt die bittere Realität um die Zukunft Barbaras, die der Zuschauer insgeheim kennt und schadet somit eigentlich mehr dem Image, dem Bild dieser mutigen Frau und ihrer selbstlosen Aktion.