Auf der 62. Berlinale hat Christian Petzold den silbernen Bären für die beste Regie und den Leserpreis der Berliner Morgenpost erhalten. Sein neuer Film BARBARA (2012) läuft seit dem am 8. März in den deutschen Kinos. Von Filmkritik und Publikum wird er gefeiert. Ob und wieso das gerechtfertigt ist, erfahrt ihr hier.
Die Ärztin Barbara (Nina Hoss) wird im Sommer 1980 aus der Berliner Charité in ein verschlafenes Provinzkrankenhaus versetzt – eine Antwort der DDR-Regierung auf den von ihr gestellten Ausreiseantrag. Die regelmäßigen Besuche der Stasi erträgt sie, weil sie mit ihrem West-Liebhaber Jörg (Mark Waschke) bereits Pläne für eine Flucht geschmiedet hat. Doch Chefarzt Andre (Ronald Zehrfeld) scheint Barbara, die mit ihrer gegenwärtigen Situation schon abgeschlossen hat, nicht so leicht aufgeben zu wollen.
Die beiden teilen die Hingabe zum Beruf und das verbindet sie mehr, als Barbara dachte. Latentes Misstrauen beherrscht die Atmosphäre, verwandelt sich jedoch in Gegenwart der jugendlichen Patienten zu diligenter Hingabe. Ob sie Andre vertrauen kann, bleibt ungewiss. Sicher ist, dass sie an diesem Ort gebraucht wird, während ihr die Zukunft im Westen nur einen Platz am heimischen Herd zu versprechen scheint.
Die DDR wird uns in der mittlerweile fünften Zusammenarbeit von Petzold und Hoss als farbengesättigte und beschauliche Welt abseits von stereotypen Aushänge-Lokalitäten gezeigt. Petzold beleuchtet seine Provinz dafür mit akribischer Präzision und auf 35 mm: Man könnte in BARBARA wohl jedem Filmstill Perfektion attestieren. Die auf das Minimum reduzierten Dialoge wirken dennoch nicht starr, sondern lassen Esprit und Witz erkennen.
Vielleicht achtet man in Petzolds Filmen aufmerksamer als in anderen auf die Haltung der Schauspieler, ihre Kleidung, ihren Gang. Nina Hoss tänzelt gekonnt auf der feinen Grenze zwischen An- und Entspannung. Hier wirkt sie noch zurückgenommener als in Jerichow oder Yella. In ausgenommen wenigen Momenten wird uns Barbaras Lächeln zuteil, das von Leidenschaft zeugt und für bessere Tage rationiert zu sein scheint.
Ronald Zehrfeld, der in Dominik Grafs Serie IM ANGESICHT DES VERBECHENS einen draufgängerischen Polizisten mimte, gelingt der etwas holprige Sprung zum geduldigen, sanftmütigen und nicht ganz durchschaubaren Gutmenschen. Beide Schauspieler haben eine starke physische Präsenz und treffen in sehr zurückgenommenen Rollen aufeinander: Es funktioniert– auch wenn man sich Zehrfeld in einer etwas kantigeren Rolle besser vorstellen könnte. Dafür gibt es vielleicht bald eine Gelegenheit: Im nächstem Film will der Regisseur erneut mit Zehrfeld zusammenarbeiten.
Wie in den Vorgängerfilmen kommt auch in BARBARA Petzolds filmsprachliches Inventar zum Einsatz: Aufenthalte in Hotelzimmern, Dreiecks-Konstellationen, Autofahrten, in denen die Protagonisten die Grenzen und Knotenpunkte ihrer Beziehungen ausloten und Geld, das in Päckchen-, Bündel- oder Röllchenform seinem Besitzer potenzielle Rettung verheißt oder ihn in die moralische Bredouille (JERICHOW, YELLA, GESPENSTER etc.) zwingt.
Und vielleicht wirkt der Film gerade für Kinogänger, die Petzolds vorherige Filme nicht kennen, visuell überraschender als für solche, die in seinen filmischen Welten heimisch sind. Während er in Gespenster oder Yella noch die Grenzen ins Surreale abtastete, behält er in BARBARA „Bodenhaftung“. Das Irrationale, Phantomhafte ist hier nur noch am Rande erkennbar.
Mit BARBARA hat Christian Petzold Mut bewiesen, weil er uns neue Bilder statt verbrauchten anbietet. Stilistisch ist der Film eine Wohltat. Trotz der historischen Verortung, wirkt er aufgrund seiner atmosphärischen Dichte und den feinsinnigen Schauspielern fast gegenwärtig.
Auf einer anderen Ebene ist er aber konventioneller und geschlossener als man es von Petzold gewohnt ist: Als Liebesfilm mit Happy-End.