Bombay Beach, am Rande des Saltonsees, war bis in die 1950er Jahre ein beliebtes Ausflugsziel Amerikas. Als das Ökosystem des Sees kippte und er immer versalzte, begann auch der Niedergang des kleinen Ortes. Heute gleicht Bombay Beach einer Geisterstadt, in der nur noch wenige hundert Menschen leben. Alma Har’els Dokumentarfilm erzählt die Geschichten der Bewohner dieses kleinen Ortes.
Es sind die Geschichte der Familie Parrish, mit ihrem Sohn Benny, der aufgrund seiner Depressionen immer wieder Medikamente nehmen muss und dessen größter Wunsch es ist, ein Feuerwehrmann zu werden.
Die Geschichte des jungen Schwarzen CeeJay, der zwei Jahre zuvor aus Los Angeles an diesen Ort kam, nachdem sein Cousin bei einer Bandenschießerei umgekommen war und nun auf eine Karriere als Footballspieler hofft und zuletzt die Geschichte des Renters Red, der zusammen mit anderen Armen in einer Wohnwagensiedlung lebt und sich seinen Lebensunterhalt mit dem Schmuggel und Verkauf von Zigaretten verdient.
Nein, schon die ersten Einstellungen des Films verraten es: das kalifornische Bombay Beach ist wirklich kein schöner und einladender Platz, er wirkt sogar unwirklich und zuweilen surreal. Ausgetrocknete Tierkadaver bestimmen immer wieder das Bild und man beginnt sich zu fragen, wie an diesem Ort, überhaupt noch Menschen leben können.
Doch die Frage stellt sich den Bewohner nicht, denn sie haben keine andere Wahl. So scheint das Städtchen wie ein Ort für die Ausgrenzten. Ein Fleckchen Erde, dessen Bewohner man einfach vergessen hat. Es ist wohl auch der bewussten Kameraarbeit von Har’el zu verdanken, die nur selten über eine Totale hinausgeht, dass der Zuschauer ganz nah bei den Figuren ist und den Eindruck hat, in einer kleinen, abgeschlossenen Welt zu sein. Auch die kurzen Ausflüge der Menschen in die umliegende Wüste, erwecken den Anschein, als gäbe es keine andere Welt außer diesem Ort und das Bombay Beach eine Insel im Nichts ist. Mehr sogar: die oft verschwommenen Bilder, suggerieren die Atmosphäre eines mystischen Ortes, hinter dem Schleier der Zeit. Bombay Beach ist wie eine Art Neverland und der Weg dorthin, zu diesem vergessenen Ort, ist ein Geheimnis. So erscheinen z.B. die gelegentlichen Fahrten von Benny und seiner Mutter in das nächstgelegene Krankenhaus, wie eine Art Sprung in eine andere Welt. Es gibt keinen Weg dazwischen, keine Fahrt zu diesem anderen Ort. Doch gerade diese Fahrt wäre zur Verortung notwendig, um zu verstehen, wo dieser Ort liegt und um eine Bestätigung seiner Präsenz und Wahrhaftigkeit zu bekommen.
Umso bezeichnender sind daher die Momente, in denen Benny und seine Mutter oder CeeJay und seine Freunde an den Rand des Sees fahren und dort in die Ferne schauen: ein Blick auf einen See, der wie das Symbol der geplatzten Träume und Sehnsüchte (nicht nur einzelner Menschen, sondern auch einer amerikanischen Gesellschaft) ist und die Frage aufwirft, ob hinter dessen scheinbarer nicht mehr endendem Horizont, ein Ort ist, in dem sich sie die Träume der Menschen von Bombay Beach realisieren werden. Oder wie es auch Bob Dylan schon in seinem Song „Tomorrow is a Long Time“ besingt: „If today was not a crooked highway / If tonight was not a crooked trail / If tomorrow wasn’t such a long time / Then lonesome would mean nothing to you at all“.
Betrachtet man die Umstände in denen die Bewohner von Bombay Beach leben, mag man den Eindruck bekommen, dass sie unglücklich sind oder zumindest sein müssten. Doch die Bilder die der Film dem Zuschauer liefert, erzählen etwas anderes. Die Nähe, die Har’el mit ihrer Kamera erzeugt, suggeriert zwar den Eindruck einer kleinen, in sich geschlossenen Welt, ermöglicht es aber zugleich die intimen und stillen Momente zu erleben, die die Bewohner haben. Es sind besonders die Momente des Tanzes, als Ausdruck der inneren Gefühle, die eine besondere Magie versprühen. So zeigen die Tanzbewegungen der Kinder um Benny, das Bild von glücklichen und freien Kindern, der Tanz von CeeJay und seiner Freundin die besondere Verbindung und Harmonie zwischen beiden und der Tanz von Red mit den anderen Damen aus der Wohnwagensiedlung beweist, dass man trotz des hohen Alters nicht allein sein muss und selbst dann eine einzigartige Zärtlichkeit und Intimität genießen kann.
Trotz aller Probleme und Widrigkeiten scheint es, als haben die Einwohner dieses kleinen Ortes, der vielmehr einer apokalyptischen Szenerie gleicht, ihr kleines persönliches Paradies geschaffen, in dem materielle Dinge keine Rolle spielen und sei es auch nur weil sie fehlen. Vielleicht ist Bombay Beach, inmitten dieser scheinbaren Misere, doch das kleine imaginäre Paradies, in dem Träume wahr werden und das man eigentlich auf der anderen Seite des Sees vermutet hat – und sei diese Erfüllung auch nur für einen kurzen Moment.
Trailer by Alma Har’el (CC BY-ND 3.0)