Mit der Kamera immer in der Nähe von Alexander Fehling lässt der Debutfilm von Jan Zabeil eine behagliche Initiationsreise in eine schwitzig-nasse Existenzerfahrung des Selbstverlusts münden.
Der Film beginnt mit einem Blick aus dem Flugzeug auf eine weite Flusslandschaft. Dann setzt der Film mit einer Art Impressionsmontage ein. Mit dem Jeep durch die nächtliche Straße, während ein einziges durch Regen verwischtes Licht auf der Gegenfahrbahn erst langsam dann immer schneller, schließlich als Lastkraftwagen vorbeirrauscht. Ein Gewitter leuchtet in der Ferne immer wieder mal auf. Dann werden fast Tiere auf der Fahrbahn angefahren. Der nächste Tag und die Straße führt nicht weiter. Ein Teil des Gepäcks wird von einem jungen blonden Mann in blauem Hemd in einen Einbaum mitgenommen. Kurzer Wortwechsel mit dem alten Fährmann über Herkunft und Dauer des Aufenthalts und hinein geht´s ohne Ziel in Wasser, Schilf und Tierwelt. Während der junge Mann einnickt, navigiert der alte Mann bedacht zu den Reusen und holt den bescheidenen Fang heraus. Ein Nilpferd taucht im Hintergrund auf, während sich der alte Mann Wasser in den Mund schaufelt. Man geht an Land, wenn man denn innerhalb eines Deltas tatsächlich von festem Land sprechen kann, und macht Feuer. Der junge Mann nimmt es hin, obgleich er ohne Insistenz einmal um Rückkehr bat. Die Lagerfeuergeschichte des Alten zeichnet das Bild der Menschen als Gast im Hause der Tiere. Der junge Mann gibt sich als „actor“ (man spricht Englisch) zu erkennen. „Doctor“?, fragt der Alte. Wenn bis hier nicht längst klar ist, dass Worte hier wenig zählen, so wird direkt vorgeführt, dass die Bedeutungen sich von der Sprache gelöst haben. Die Kommunikation wird zu einem heiteren Missverständnis, das es gar nicht erst auf Aufklärung angelegt hat. Der nächste Morgen nun wird den jungen Mann mit all seinem Geschick, seinem Inventar, seiner Intuition und Ausdauer einfordern. Es wäre sinnlos die im Unbestimmten agierende Erzählung hier auszubreiten. Zumal sich der Film auch eher dafür interessiert Zeit zu nehmen für die Nervosität, Trauer, Angst und Müdigkeit des Protagonisten.
Afrika als mythischer Kontinent tritt dabei gänzlich zugunsten einer konkreten Lebenswelt zurück, die sich eher den Falten in den Gesichtern zuwendet, dem Licht der Tag-Nachtwechsel, der Anstrengung sich ins Boot zu hieven, dem Feuer bei Nacht. So gerät dann eben auch das Zeitgefühl aus dem Takt. Die Tagnachtwechsel und mit ihnen die sich ändernden Lichtsituationen werden zum einzigen Referenzpunkt vergehender Zeit. Man könnte auch sagen, dass gerade das Nicht-Konkrete stark gemacht wird. Keine Motivation des Protagonisten, keine Namen, keine Zeit. Lässt man sich auf diese andere Zeiterfahrung ein, die langen Einstellungen, die vielen ratlosen Bemühungen des jungen Mannes um Kontakt, sein Mitmachen trotz allen Unverständnisses, so schaltet sich ja gerade eine Erfahrung ein, die es nicht auf Bedeutungsstiftung und rationaler Erklärung abgesehen hat. So gibt es eine sehr prägnante Passage gegen Ende des Films, wo vor lauter Erschöpfung des Protagonisten zwar nicht der Überlebenswille versiegt ist, sich dem aber noch etwas beimischt: eine Bereitschaft im Kampf zuzulassen, was immer die Natur gibt – und sei es ein hungriges Krokodil. Es wird eine Spannung in der Dauer selbst spürbar aus dem was ist und dem was in Erwartung harrt. Als ob es erst der Verlorenheit bedarf, um schließlich die eigene Existenz oder gar Zeit selbst zu spüren.
Die teils subtile Kameraarbeit changiert zwischen Lichtimpressionen, Verfolgernähe und Stillleben. Sie gibt im Grunde aber nie die enggebundene Korrespondenz mit Alexander Fehling auf. Der Ton hat zum Bild ein Eigenleben orientiert sich aber zumeist am Hören des Protagonisten: und zum Teil so konsequent, dass am Ende fern des Deltas die Singzikaden noch im Ohr zirpen. In der radikalen Reduktion der Erzählung mit ihren Sprüngen liegt gerade die Stärke des Films, der damit kurzschlüssiger noch als beispielsweise Ulrich Köhler oder Susanne Bier den europäischen Blick auf Afrika nie der Exotik oder Mystik preis gibt. Jan Zabeils Debutfilm gewann u.a den New Directors Award 2011. Auch wenn mitunter die Anspannung in der Dauer nicht immer stimmig ist, gelingt sie aber immer noch oft genug, um im Arthouse Kino ein poetisches Moment aufblitzen zu lassen: eine Ahnung von Schutzlosigkeit in der Ur-Bindung an die Natur.