Auf einer roten Decke sitzen ein Mann, eine Frau und ein kleiner Junge, über ihnen ein wunderschöner Kirschblütenbaum. Inmitten der von Grün- und Brauntönen dominierten Landschaft, scheinen die Blüten in ihrer leuchtenden Farbigkeit geradezu zu den Bildrahmen zu sprengen und man meint, ihren Duft bis in den dunklen Kinosaal hinein zu vernehmen.
Es ist ein Bild familiärer Vertrautheit und Harmonie. Ein Bild aus Zhao Liangs Dokumentarfilm ZAI YI QI/TOGETHER.
ZAI YI QI ist ein Film über das Machen eines Films und bleibt dennoch kein einfaches ‚Making-Of‘, sondern ein Dokument über die Statisten, die vergessenen menschlichen Requisiten eines jeden Films. Gu Changwei, welcher 2005 bereits mit seinem mit dem Silbernen Bären prämierten Film GONG QUE/DER PFAU auf der Berlinale vertreten war, drehte, inspiriert durch ein Buch über Diskriminierung von Aidskranken in China, die filmische Liebesgeschichte und Parabel auf die Krankheit MO SHU WAI ZHUAN/TIL DEATH DO US PART. Im Filmteam, als Statisten und in den Nebenrollen setzte er bewusst auch an Aids erkrankte Patienten ein, um ein Zeichen gegen das Schweigen und die Diskriminierung zu setzen. Zhao Liang dokumentiert diesen Filmdreh und porträtiert die Laiendarsteller von der ersten Kontaktaufnahme in Chatrooms bis hin zu den Dreharbeiten und ihrem Arbeits- und Familienalltag mit der Krankheit.
Im Mittelpunkt des Porträts stehen ein aufgrund seiner Erkrankung geschiedener Mann, die durch eine Bluttransfusion infizierte Krankenschwester für HIV-positive Kinder und ein kleiner Junge. Da die meisten der mit HIV Infizierten aus Angst vor Zurückweisung und Diskriminierung nicht gezeigt werden möchten, visualisiert der Film die ersten Kontaktaufnahmen Zhao Liangs mit den Betroffenen durch die Einblendung von Chatprotokollen.
ZAI YI QI ist das Dokument eines Experiments und zeigt die Interaktion von Erkrankten und Nicht-Erkrankten am Set. Akzeptanz entsteht durch Aufklärung, das jedenfalls ist die Botschaft des Films. Entsprechend werden Ausschnitte einer im Vorfeld der Dreharbeiten zu Gu Changweis Film statt gefundenen Informationsveranstaltung mit Experten staatlicher chinesischer Gesundheitsorganisationen gezeigt. Das positive Fazit am Ende des Dokumentarfilms, der auch das Ende der Dreharbeiten des fiktionalen Films darstellt, bei dem alle Crew-Mitglieder in Harmonie und mit gegenseitigem Respekt auseinander gehen ist jedoch ein verhaltenes: Ein vorurteilsfreies Zusammenleben erscheint im Rahmen einer temporär begrenzten Filmdrehs zwar möglich, aber der Weg bis dahin ist noch weit. Davon zeugt ein am Ende des Films auf einer Straße in China sich öffentlich zu seiner HIV-Infektion bekennender junger Mann, der mit einem ‚Free Hugs‘-Plakat vergeblich menschliche Nähe sucht: Lediglich eine 80jährige Frau nimmt ihn öffentlich in den Arm.
Das Bild des Kirschblütenbaumes, welches in seinem gemäldeartigen Arrangement der Figuren und Gegenstände zueinander und seiner makellos reinen Ästhetik meine Aufmerksamkeit gefesselt hat, wirft Fragen auf: Wurde dieses beinahe an die himmlische Familie erinnernde Arrangement, das dennoch so etwas wie die alltägliche Normalität eines familiären Picknicks ausstrahlt, vom Regisseur genau so vorgefunden? Und wenn nicht, was waren seine Motive, seine drei Hauptfiguren derart zu arrangieren?
Soll dieses Bild eine Darstellung des Ideals von Normalität sein? Wenn ja, dann übertrüge der Film eine falsche Botschaft, bedeutet doch das Leben mit der Krankheit für den Betroffenen absolut keine Normalität! Vor allem nicht in China. Dieser Anspruch käme einer Verharmlosung der Situation und somit einer Beleidigung aller Betroffenen gleich. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Akzeptanz der Krankheit in der Öffentlichkeit und der Schutz der Betroffenen vor Diskriminierung und Ausgrenzung.
Im Rahmen des Filmdrehs ist dieses Projekt vielleicht gelungen, allgemein muss in China jedoch, ähnlich wie in vielen anderen Ländern dieser Welt auch, noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden.
Informationsblöcke am Ende des Films, zeigen ein paar Zahlen und Fakten zu Aids in China. Dabei fällt auf, dass am meisten Ansteckungen mit dem HI-Virus über Bluttransfusionen stattfinden. Dies lässt die Frage nach der Verantwortlichkeit chinesischer Gesundheitsaufsichten und -organisationen unangenehm im Raum stehen.