„Kino und Kommunikation funktionieren ohne Vorgesetzte. Sie sind im Anfang anarchisch, und darin liegt eine ungeheure Vielfalt und viel Verständnis. Und darin sind Menschen untereinander Verwandte. Also so verschieden die Menschen sind, so klar ist doch, was sie verstehen“ [1], sagt Alexander Kluge. Und meint damit, dass Kino zu einem gemeinsamen Nenner des menschlichen Verständnisses werden kann, es subsumiert quasi die Inhalte, die alle Menschen bewegen.
Wie die Höhlenmalereien der Chauvet Höhle oder die kleinen Sorgen und Obsessionen des Alltags der Menschen in Seoul. Verstehen ist aber nicht als Entschlüsseln eines bestimmten Sinns gemeint, sondern als Kommunikationsangebot, bei dem man das Gegenüber so lässt wie es ist. Vieldeutigkeit und Unbestimmtheit sind hier mit angelegt. Während Herzog das Unbestimmte versucht zu benennen und sichtbar zu machen, lässt Kelvin Kyung Kun Park ihm viel Raum und schafft trotzdem eine Annäherung.
Spektakulär ist die Idee zu CAVE OF FORGOTTEN DREAMS alle mal. Werner Herzog steigt für sein Projekt in die Chauvet-Höhle hinab, die Jahrtausende komplett von der Außenwelt abgeschlossen war und in der prähistorische Wandmalereien gefunden wurden, die über 30.000 Jahre alt sind. Die Höhle ist nicht öffentlich zugänglich und darf nur von sehr wenigen Wissenschaftlern betreten werden. Und damit auch alle anderen wirklich was davon haben, hat Herzog sich für die aufwändige 3D-Technik entschieden. Und ja, es gibt sie, die Momente, wo alles ganz plastisch wird, sich meterhohe Stalagtiten (oder waren es Stalagmiten?) auftürmen und die Malereien so richtig frisch aussehen. Aber das wars dann auch schon mit der Wirkung. Außerhalb der Höhle ist die Technik irgendwie fehl am Platz.
Fast naiv wirken Herzogs Versuche das Thema wissenschaftlich zu unterfüttern und zu offensichtlich ist die Stoßrichtung seiner Fragen. Die Interviews mit Experten sind teilweise unfreiwillig komisch und spätestens wenn ein pensionierter Parfümeur seine Technik zum erschnüffeln der bisher unentdeckten Areale der Höhle vorstellt, bekommt das ganze einen ironischen Touch. Das Problem aber ist, das ist hier nicht ironisch gemeint.
Befremdlich auch der Soundtrack zu den Bildern aus der Höhle. Rhythmischer Schamanen-Gesang, eine übertriebene Herzschlagmetapher, als Inbegriff der Geschichte die zu uns spricht und dazu Werner Herzog selbst als Off-Kommentator, der eine geradezu Guido Knoppsche Spannung aufbaut. Allerdings mit dem Unterschied dass Herzog seine Intentionen nicht zu vertuschen sucht. Die Fragen, die er seinen Interviewpartnern stellt, werden nicht rausgeschnitten, es ist klar worauf er abzielt. Herzog stellt eine direkte Verbindung zwischen uns und den prähistorischen Menschen her und möchte den großen Zusammenhang unterstreichen, der alles Menschliche verbindet. Die These: das genuin Menschliche generiert sich nicht aus der Fähigkeit zu denken, sondern aus seiner Spiritualität. Und obwohl Herzog mit den Höhlenmalereien die besten Verbündeten hätte, um die These zu stützen, gelingt es ihm nicht. Wenn etwas zu offensichtlich herauf beschworen wird, stellt sich am Ende das Gegenteil ein.
Was bleibt sind Eindrücke einer unglaublich lebendigen Malerei, perspektivisch, Bewegungen andeutend, eine Art vorzeitliche Cinematographie, wie Herzog bemerkt. Und das ist eine schöne Idee, die auch Alexander Kluge zu der These verleitete, dass der Kopf des Menschen als Kino eingerichtet ist.
CHEONGGYECHEON MEDLEY: A DREAM OF IRON funktioniert anders, und hat traumwandlerische Qualitäten. Kyung Kun Parks Revier ist keine abgeschlossene Höhle, sondern ein Viertel in Seoul, dessen Bewohner seit Jahrhunderten vom Umgang mit dem Werkstoff Eisen geprägt sind. Die Bilder sind unspektakulär und die Kamera geduldig. Mitten in der Stadt liegend, mit niedrigen Häusern, wirkt das Viertel wie ein Dorf, man kennt sich, plaudert miteinander und spricht über Probleme, die Zukunft und Alltägliches. Locker verbindet Kun Park Momentaufnahmen, Gespräche, Arbeitsabläufe, Essenszenen, Straßengeschehen und Interviews mit einer Erzählstimme aus dem Off, die von Erinnerungsbildern berichtet, von einem Autounfall in der Kindheit, dem Großvater der das Viertel bewohnte, von dem Wunsch sich in Beziehung mit der Vergangenheit zu setzen. Auch hier werden Zusammenhänge hergestellt, aber mit einer losen Klammer und ohne das angestrengt Intentionale von Herzog.
Es ist ein Angebot für ein freies Flottieren von Gedanken, man begleitet die Geschehnisse im Viertel ein Stück weit ohne dass sich ein bestimmter Sinn aufdrängt. Und gerade deshalb kann man sich annähern, denn obwohl kein Erzählstrang weiter verfolgt wird, bekommt man einen Eindruck, im Sinne von Evidenz, und nicht von positivem Wissen. Es ist eher ein singuläres Aufblitzen von Etwas, das in einem weiterarbeitet aber nicht zu Ende erklärt werden muss. Mit welcher Erfahrung man aus dem Film geht ist wahrscheinlich höchst subjektiv. Aber wie Kluge sagt, der eigentliche Film entsteht nicht auf der Leinwand, sondern erst im Kopf des Zuschauers.