“Only God Forgives” ist nach dem Erfolgsfilm “Drive” (2011) die zweite Zusammenarbeit des dänischen Regisseurs Nicolas Winding Refn mit dem Schauspieler Ryan Gosling. Der Film wurde mit einem vergleichsweise eher kleinen Budget von 4 Millionen Euro realisiert und hatte seine Premiere auf dem 66. Festival de Cannes. Dort wurde er teils gefeiert aber auch ausgebuht. Tatsächlich hinkt der Film an seiner extremen Stilisierung und der wenig innovativen Konstruktion der Story.
Diese handelt von den beiden ungleichen Brüdern Julian (Ryan Gosling) und Billy (Tom Burke), die in Bangkoks Rotlichtmilieu einen Thai-Box-Club als Tarnung für ihre Drogengeschäfte betreiben. Als Billy eine 16-jährige Prostituierte brutal ermordet, wird er zur Rechenschaft gezogen: Der pensionierte Polizist und selbsternannte Racheengel Chang (Vithaya Pansringarm) lässt Billy töten. Sein Tod zieht zahlreiche Gewaltakte nach sich: Denn nun fliegt Julians diabolische Mutter Crystal (Kristin Scott Thomas) nach Thailand, um ihren Lieblingssohn Billy zu rächen.
Dabei hat sich Winding Refn nur die Besten ihres Fachs mit ins Boot geholt. Neben Cliff Martinez, der bereits den berühmt gewordenen Soundtrack zu “Drive” entwarf, ist die Position hinter der Kamera mit Larry Smith (“Eyes Wide Shut“) ebenfalls prominent besetzt.
Mit Kristin Scott Thomas als solariumsbraune Blondine hat der Regisseur ebenfalls ein Ass gezogen. Während sie in ihrer bitterbösen Godmother-Rolle aufgeht, scheint Ryan Gosling hinter dem introvertierten und sehr minimalistisch gezeichneten (Nicht-)Charakter des Julian zu verschwinden. Das passiert mit voller Absicht, schmerzt aber dennoch. Wir sehen einer Anti-Mutter und einem Anti-Helden beim Scheitern zu.
Paradigmatisch für “Only God Forgives” ist das Spiel mit den Elementen, die den Film konstituieren. Während Winding Refn seine Protagonisten in “Drive” nach archetypischen Mustern schneiderte, deutet er sie in seinem neuen Film lediglich an. Ihre Seelenlosigkeit wird offengelegt, die Illusion des Filmseins wird ständig unterbrochen. Leider in einer Art, die zur Langeweile einlädt. Alles ist bereits da gewesen und bekannt.
So wird der scheinbare Dreh- und Angelpunkt des Films, die Mutter-Sohn-Beziehung, zu einer einzigen Farce stilisiert. Dabei wird das Publikum noch nicht einmal im Ansatz dazu aufgefordert, sich weitere Gedanken um die Hintergründe der im Grunde pervertierten Konstellation zu machen. Denn sie ist lediglich eine Spiegelung, ein Spiel mit dem ödipalen Komplex, eine Variation in rot und blau, die sich selbst nicht ernst zu nehmen scheint. Wie der Thai-Box-Club als Fassade für die (übrigens nicht präsenten) Drogengeschäfte dient, so ist jedes inhaltliche Element des Films eine übersteigerte Variation filmischer Mittel. Mit den Dialogen verläuft es analog. Wenn Julian seinem ultimativen Gegner ein mühsames “Wanna Fight?” anbietet, in dessen Folge er kläglich zu Boden gehen wird, so handelt es sich hierbei eher um eine rhetorische Frage.
Man kann das Prinzip auf den gesamten Film anwenden, er ist mehr Form als Inhalt. Das kann visuell ansprechend sein, erfordert jedoch eine Art Lust für die inhaltsleere Ästhetik, die ihr karges Inneres nach außen kehrt. Das hat zuweilen den Charakter einer Jeans-Werbung, in der Ryan Gosling mit langsamen Schritten durch die rotgefärbten Straßen eines Kulissen-Bangkoks streift.
Dazu gehören ebenfalls Winding Refns selbstgenannte Inspirationsquellen, wie das Kino des chilenischen Filmemachers Alejandro Jodorowksy, dessen Name auch in den Credits zu lesen ist. In Jodorowskys Filmen spielen Hände oder ihr Nichtvorhandensein (“Santa Sangre“, 1989) oft eine Rolle. Auch Winding Refn setzt den Fokus auf die Hände, sie sind ganz klar als phallische Symbole markiert: Als Ausdruck seiner Eifersucht ballt Julian die Fäuste, die auf seinem Schoß ruhen; dem Vater der ermordeten Prostituierten wird die Hand abgeschlagen, mit der er Billy getötet hat; zuletzt wird das Phallische der Hände sogar seiner Symbolhaftigkeit entledigt. Doch im Gegensatz zu Jodorowksy, fehlt Winding Refn der nötige Charme. Er setzt auf Schablonen statt auf Inhalte. So wirkt die Verbeugung vor Jodorowksy wie eine aufgesetzte Fingerübung. Vielleicht, um so den Gewaltfetisch ausgiebiger zu zelebrieren.
In den Kampfszenen wird nicht nur gekämpft, es wird auch penetriert. Wenn Julian einen Gegner an der Mundhöhle durch einen Korridor schleift oder der mysteriöse Chang einen Feind zu Thai-Schlagermusik mit verschieden dicken Metallstäben lyncht, entsteht der Eindruck, als wolle Winding Refn mit Gewalt bis in die letzte Körperritze vordringen. Was als Gangsterfilm beginnt, wird nach und nach immer mehr pures Gemetzel. Bis es sogar Julian am Ende wieder in die mütterliche Höhle zieht – dorthin wo alles seinen Anfang nahm.
Diese Kritik ist auch auf berliner-filmfestivals erschienen.