Porn for No Reason

Eine Kritik zur Veranstaltung Porn of Pure Reason an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz

Porno ist hip und schon längst im Mainstream angekommen. Auch an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz wird fröhlich mit dem Versprechen auf Fleischliches geworben.

Porn of Pure Reason

Porn of Pure Reason heißt das „Stück“ der schwedischen Regisseure Markus Öhrn und Pekko Koskinen, das derzeit den Spielplan des Berliner Theaters in ein fragliches Licht rückt. Es soll zur Reflexion über unseren pornografischen Bilderkonsum anregen. Tatsächlich wird man eher dazu angeregt, darüber nachzudenken, mit wie wenig Energie und einem seichten Versprechen auf sexuelle Inhalte man ein großes Theater bespielen kann. Dem Zuschauer wird folgendes Angebot unterbreitet:

„Tauchen Sie ein in ein visuelles Labyrinth, gefüllt mit ungeschliffenen Gefühlen pornografischer Erfahrung. Wir führen Sie durch das Spiegelkabinett Ihrer Erregungen und Abneigungen, denn das Spektakel findet in Ihnen selber statt!“ [1]

Zum Hintereingang wird man durch die Volksbühne geschleust. Mancher wird sich schon hier ins Schmunzeln geraten und diese Form des Einlasses für angemessen halten. Diese Menschen werden sich vielleicht auch vom restlichen Abend gut unterhalten fühlen. Nach dem Empfang durch drei weibliche Guides erfolgt eine stumme Führung durch die Hintergänge der Volksbühne bis man im Foyer ankommt und mit Pianomusik etwas ratlos auf das pornöse Spektakel oder das „visuelle Labyrinth, gefüllt mit ungeschliffenen Gefühlen pornografischer Erfahrung“ wartet. Schließlich wird man in den Saal und auf die Bühne geführt, wo Markus Öhrn verheißungsvolle Nichtigkeiten über Pornografie und unsere Gedankenwelt ins Mikrofon spricht.

Man nimmt im Zuschauerraum Platz und wird von Öhrn auf eine 25-minütige YouPorn-Collage vorbereitet. Er rät dem Zuschauer, die Porno-Clips als Tierdokumentation zu rezipieren. Was dann folgt ist eine wenig geistreiche Compilation aus Amateursexsequenzen, die wohl besagtes „Spiegelkabinett Ihrer Erregungen“ sein sollen. Im Anschluss gibt der Regisseur seinem zartbesaiteten Publikum ein paar Minuten, das Gesehene zuverdauen. Man könnte auch sagen, es wird Zeit geschunden.

Der nächste „dramaturgische Punkt“ des Abends führt in einen weiteren Vorführraum. Nach kurzer Einleitung von Öhrn über die Komplexität menschlicher Sexualität folgt ein japanisches Sexfilmchen, in dem der bereits erwähnte Hintereingang und Fische eine Rolle spielen. Damit wäre dann wohl die zu erzeugende „Abneigung“ auch abgehackt.

Es folgt ein Verdauungsspaziergang zurück in den ersten Saal (eigentlich hätte der gesamte Abend dort stattfinden können). Nun dürfen die Zuschauer wieder zu ihren eigenen Protagonisten werden und es sich auf der Bühne mit Kissen und in schummriger Beleuchtung für ein ca. 30-minütiges Soundscape aus Sexgeräuschen gemütlich machen.

Als die Vorhänge aufgehen, sitzen Öhrn und seine Guides im Zuschauerraum und wünschen einen angenehmen Abend. „Watch your step when you leave“, heißt es noch einmal. Dann ist das Spektakel vorbei. Weniger heiße Luft und definitiv mehr Substanz hätte man sich gewünscht – doch für die eigenen Vorstellungen bleibt paradoxerweise kein Raum. Um es mit Guy Debord zu sagen:

„Das Spektakel stellt sich als eine ungeheure, unbestreitbare und unerreichbare Positivität dar. Es sagt nichts mehr als: ‚Was erscheint, das ist gut; und was gut ist, das erscheint.‘ Die durch das Spektakel prinzipiell geforderte Haltung ist diese passive Hinnahme, die es schon durch seine Art, unwiderlegbar zu erscheinen, durch sein Monopol des Scheins, faktisch erwirkt hat.“ [2]

Lange hat es gedauert, bis Porno gesellschaftsfähig wurde. Mittlerweile kann man sich mit einem akademischen Abschluss in Porn Studies schmücken, und neben etablierten Events, wie dem PornFilmFestival, bespielen zunehmend mehr Veranstaltungen unter dem Deckmantel der Pornografie die Bühnen und Leinwände diesseits der Schmuddel-Ecke. Doch Offenheit für die Auseinandersetzung mit pornografischem Bildmaterial öffnet auch Raum für uninspirierte Trittbrettfahrten. Nicht jedes Spektakel löst ein, was es verspricht– auch wenn es sich noch so sehr anpreist. Um noch einmal Debord zu bemühen:

„Der zutiefst tautologische Charakter des Spektakels geht aus der bloßen Tatsache hervor, daß seine Mittel zugleich sein Zweck sind. Es ist die Sonne, die über dem Reich der modernen Passivität nie untergeht. Es deckt die ganze Oberfläche der Welt und badet sich endlos in seinem eigenen Ruhm.“ [3]

Dieser Artikel erschien auch auf www.dontpanicitsorganic.de

[1 ] volksbühne-berlin.de

[2] Debory,Guy (1978): Die Gesellschaft des Spektakels. Hamburg: Verlag Lutz Schulenburg, S.4

[3] ebd.