Alle 55 Jahre ein neu gebautes Lebensgefühl

Interview mit Anna Maske zur Sanierung des Zoo Palastes

Anlässlich der Sanierung des Zoo Palastes haben wir bei einer Baustellenbegehung die Architektin Anna Maske, Maske + Suhren Architekten und Designer GmbH, interviewt. Sie erzählt über die historisch ungesicherte Entstehung sowie von der derzeitig laufenden Sanierung des Zoo Palastes zum PremiumKino, über die City-West und das Bikini-Projekt.

Foyer des Zoo Palastes während der Sanierung im Februar 2013, Foto: FRAGMENT FILM/ Dennis Basaldella.

Foyer des Zoo Palastes während der Sanierung im Februar 2013, Foto: FRAGMENT FILM/ Dennis Basaldella.

 

Worin besteht die besondere architektonische Herausforderung den Zoo Palast umzubauen? 

Die größte Herausforderung besteht darin, alle Notwendigkeiten von heute unauffällig in ein Kino von 1957 zu integrieren. Das sind im Wesentlichen: Brandschutz, Schallschutz und Kinotechnik. Sie wurden damals anders oder gar nicht geplant – oder waren schlicht in der technischen Entwicklung noch nicht so weit. Also müssen möglichst unsichtbare Veränderungen vorgenommen werden. 
Einige Beispiele:
 Wir müssen die aktuellen Brandschutzanforderungen in den erhaltenen, denkmalgeschützten Türen gewährleisten.
 Im Kinosaal 1 gibt es z.B. Flatterechos, schon in den 90er Jahren wurde versucht, diese zu korrigieren. Nun werden wir sie hoffentlich weitestgehend eliminieren. Die Belüftungstechnik wird komplett erneuert. Die Lüftung wurde früher durch eine Luftschicht zwischen Kino 1 und 2 gewährleistet. Das ist heute allein aus akustischen Gründen schwierig und so müssen Anpassungen erfolgen. Wir möchten die Behindertenzugänglichkeit gewährleisten. Wir werden erfreulicherweise nur ein einziges kleines Kino haben, das nicht barrierefrei ist.
 Diese Veränderungen soll man nicht sehen, damit erscheint auch die Planung unsichtbar, und darin liegt die größte Herausforderung.

Wie laufen die Absprachen zwischen Investor, Betreiber, Denkmalamt und Ihnen als Architektin?

Der Eigentümer, die Bayerische Hausbau GmbH & Co. KG, hat auf der Grundlage des Konzepts von Arne Quinze einen städtebaulichen Vertrag geschlossen, er ist bindend für das Gesamtkonzept. 
Seitens des Kinobetreibers, Hans-Joachim Flebbe, gab es ein Bewerbungskonzept, das den Betreiber-Wettbewerb für den Zoo Palast gewonnen hat und insofern bindend ist. Der Zoo Palast wird in ein PremiumKino umgewandelt. Als Architekten ist es unsere Aufgabe, beide Vorgaben in Einklang zu bringen und dabei die denkmalpflegerischen Belange sichtbar und spürbar zu machen sowie die entsprechenden Abstimmungen mit der Denkmalpflege zu führen. Wir haben die wichtigen historischen Bauelemente herausgearbeitet, um das Raumgefühl der 50er Jahre wieder entstehen zu lassen. Diese werden wir instand setzen bzw. rekonstruieren, auch weil das wichtig für die Arbeit ist, die der Architekt Gerhard Fritsche geleistet hat. 
Denkmalpflegerisch wichtig ist der Zoo Palast aber in erster Linie, weil er eine politische Bedeutung hat und zudem an dieser Stelle eine Kinotradition fortsetzt. Hier stand z.B. bis Kriegsende das Kino Capitol von Hans Poelzig aus den 20er Jahren.

In welcher Hinsicht politisch?

Er war ein Symbol für das Berlin-West der 50er Jahre, nach der Blockade und der Befreiung durch die Alliierten. Nach der Luftbrücke brauchte Berlin symbolische Kraft. Der Zoo Palast eignete sich dazu. Die Amerikaner hatten mit ihrem in Berlin stationierten Film-Officer, Oscar Martay, das Ziel, die Filmwirtschaft in Berlin wieder aufzubauen. Diese war vor dem Krieg wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Die Amerikaner hatten die Berlinale initiiert, 1952. Sie war im nur bedingt geeigneten Titania-Palast untergebracht. Ein neues Kino mit 1200 Sitzplätzen an der Gedächtniskirche konnte dem Festival besser gerecht werden und hatte eine stärkere Ausstrahlung. 
Es gibt sicher unterschiedliche Gründe für den Bau des Zoo Palastes, aber jedenfalls einen: ein Zeichen in der neuen Mitte Berlins zu setzen. So wurde er 1957 zusammen mit dem Zentrum am Zoo, dem Schimmelpfenghaus und später dem Neubau der Gedächtniskirche errichtet. Berlin lag ja immer noch in Trümmern, durch die neuen Baukomplexe gab es nun ein Signal: hier entsteht Zukunft!

Dieser Ort komprimiert also ein zeitgenössisches Lebensgefühl in architektonischer und politischer Hinsicht.
Genau, aber auch in Hinsicht auf die persönliche Bedeutung für die Menschen. Im Anblick der „Trümmerbilder“ kann man verstehen, dass Menschen, die seit mehr als 12 Jahren darin leben, wieder ein normales Leben führen wollen und so einen Ort sofort verbindend annehmen.

Die Magie des Ortes ist in die Menschen gewandert?
Ja. Ins Kino zu gehen war in den 50er Jahren etwas Besonderes. Es gab nicht viele Möglichkeiten, es kostete Geld und man musste lange anstehen. 
Der Besuch hatte etwas Erhebendes.
 Gleichzeitig: die Amerikaner wussten den Ort für sich zu nutzen. Neben den Filmen gab es Wochenschauen und Propagandafilme. Die Luftbrücke war nicht der einzige Strohhalm. Die Menschen suchten Perspektiven und die Amerikaner boten sie. Auch das wurde mit dem Zoo Palast verbunden.

Was ist das Besondere des Designs der 50er Jahre und was gilt es davon heute noch zu erhalten?
In den 50er Jahren wurde eine andere, leichtere, zukünftige Bildwelt entworfen und damit verbunden ein zum Nationalsozialismus völlig verändertes Lebensgefühl. 
Die Vorstellung des Aufschwungs war eng mit diesem Gefühl verbunden. 
Wir versuchen von Fritsches sehr präzis gesetzter Architektur so viel wie möglich zu transportieren. Viele wichtige Details sind nur noch aus Fotos zu entnehmen. In denkmalpflegerischer Hinsicht ist diese Rekonstruktion eher ein Zwitter, nicht die reine Lehre, aber Kino ist eben ein Emotionsraum und was wir eigentlich wieder herstellen, ist die Emotionskraft dieses Ortes.
 Das ist übrigens auch das Anliegen des gesamten BikiniBerlin-Projekts 
und der Bauvorhaben rund um den Zoo, egal ob wir sie 1957 oder heute, 55 Jahre später betrachten.

Was wäre das für ein Lebensgefühl, das im BikiniBerlin geschaffen wird?
Ich kenne das aktuelle Vermietungskonzept nicht so genau. 
Meines Wissens werden Firmen gewonnen, die sich durch innovative Konzepte auszeichnen, die also eine Wandelbarkeit implizieren.
 Natürlich wird versucht, Hochwertigkeit herzustellen und gleichzeitig muss der Ort ausreichend viele Begehrlichkeiten wecken, um gut frequentiert zu werden. Wenn es gelingt, einen interessanten Kontrapunkt zum KaDeWe zu schaffen, ist sehr viel erreicht, gerade auch in Bezug auf die Urbanität und das städtische Leben. Es wird eine Terrasse zum Zoo geben und darunter den Bikini-Pool, der verschiedene Events ermöglicht. Es wird bzgl. der Aufenthaltsqualität viel Arbeit in die Gestaltung der Allgemeinflächen, der Zwischenräume gelegt. Ein großes Fenster gewährt den räumlichen Kontakt zum bisher abgetrennten Zoo.

 

Fotomontage des Gebäude-Ensembles mit Blick vom großen Hochhaus am Harenbergplatz auf das Bikinihaus nach Entwurf von Arne Quinze, Simulation: BBIG (Bayrische Bau und Immobiliengruppe).

Fotomontage des Gebäude-Ensembles „Zentrum am Zoo“ mit Blick vom großen Hochhaus am Hardenbergplatz auf das Bikinihaus und dem kleinen Hochhaus nach Entwurf von Arne Quinze, Simulation: BBIG (Bayrische Bau und Immobiliengruppe).

Auf der Investorenwebseite ist zu lesen, dass es örtliche Modelabels geben wird, anstelle von den üblichen Mallpartnern. Ich zitiere aus dem Abschnitt zum Shopping: „Wir werden Mode und Lifestyle, Technologie und Medien, Restaurants und Take-away-Foodservice so ausgewählt und sinnvoll miteinander präsentieren, dass BikiniBerlin rund um die Uhr eine attraktive Destination wird.“ Wenn man dort auch noch arbeiten und schlafen kann, muss man diesen Ort also gar nicht mehr verlassen. Wie sehen Sie dies hinsichtlich der Stadtentwicklung?

Die City-West ist ein Stadtkörper mit einer sehr differenzierten Nutzungsmischung, der nicht von Malls, Überdachungen und Fußgängerzonen gekennzeichnet ist. Man kann die Straßen bequem überqueren, es gibt viele Übergänge, kaum Barrieren. Der Bereich des Bikini-Hauses war bisher etwas abgehängt, weil sich hinter dem Aquarium keine Geschäfte mehr befinden und es im Komplex selbst keine attraktiven Verweilmöglichkeiten gab. Dies wird sich mit BikiniBerlin ändern und damit wird sich das städtische Bild gerade durch dieses Angebot erweitern. 
Das ist gut für Berlin. Ich bin Berlinerin und wünsche mir sehr, dass die Bayerische Hausbau mit ihrem Konzept Erfolg hat.

In welcher Tradition steht die Innenarchitektur des Zoo Palastes?
Der Architekt Gerhard Fritsche bezieht sich in seinen Entwürfen häufig auf Gestaltmerkmale der 20er Jahre, die einen gehobenen Kultursinn vermitteln. Betrachten wir sein Kino-Erstlingswerk, das 1952 erbaute KiKi, dem heutigen Astor, so ist an vielen Stellen nicht wirklich eindeutig, ob das Kino nun aus den 20er oder aus den 50er Jahren ist. 
1956/7, also zur Entstehungszeit des Zoo Palastes, hatte Fritsche bereits viele Kinos gebaut. 
Trotzdem: die hochglänzenden Stützen mit den Marmorsockeln oder die goldene Deckenkante im Foyer verweisen weiterhin auf die 20er. In diesen eleganten Elementen vermittelt er das bürgerlich Wertige und verankert es im Kino. Im großen Saal interpretiert Fritsche wahrscheinlich sogar einen klassischen Saal der 10er Jahre, der selbst aus einem Theatersaal erwächst, und stellt sich so in eine Architekturgeschichte des Kinos, die a priori modern ist. 
Fritsche kannte die Kinoarchitekten seiner Zeit, z.B. Paul Bode, und die intensiv geführte Diskussion über diesen Bautyp. 
Aus seiner grundsätzlich traditionellen Haltung heraus hat er einen visionären Zoo Palast entworfen.

Was meinen Sie mit der Vision, die Fritsche hatte?
Die geschwungenen Formen und die Öffnung der Kinosäle, diese scheinbar extrem freispannenden Säle, die versprechen etwas Neues.

Also verbinden Sie mit Vision das Schwungvolle, frei Schwebende?
Die Vision, die das Kino transportiert, ist ja das politische Zeichen der Amerikaner: hier ist die Zukunft! Und sie wird weltoffen, demokratisch und stützenfrei gebaut, ähnlich übrigens dem Haus der Kulturen der Welt. Fritsche bekörpert die Vision, aus seiner bürgerlichen Tradition in die Zukunft schauend.

Das Visionäre Fritsches besteht also weniger in dem sich andeutenden Multiplexkino durch das Schachtelkino, die Klappstulle, und die optimale Raumnutzung?

Den Begriff Multiplex würde ich gerne zurückstellen, weil er etwas ganz anderes bezeichnet als die Klappstulle darstellen kann. 
Die Klappstulle ist, das ist meine ganz persönliche, historisch nicht gesicherte Vermutung, eine Idee des Betreibers Max Knapp. Neben dem bedeutenden 1200-Platz-Saal sollte ein kleineres Kino mit einem anderen Programm für Vielfalt am gleichen Ort sorgen. Ich denke, dass Gerhard Fritsche der geeignete Architekt dafür war, die politische Vision der Amerikaner mit dieser genialen Betreiberidee zu verbinden. Trotzdem stand beim Zoo Palast die Symbolwirkung der politischen Vision im Vordergrund. Noch heute transportiert der Gedanke an den großen Saal des Zoo Palastes die Vision, nicht die Idee des Doppelkinos. 
Gleichwohl gibt es mit dem Zoo Palast ein beeindruckendes Vorbild für ein Filmtheater mit mehr als einem Saal.

BikiniBerlin, ZooPalast, Schnitt Premierensaal und Atelier, Maske + Suhren  Architekten und Designer GmbH, März 2013.

BIKINI BERLIN, ZOO PALST SCHNITT PREMIERENSAAL UND ATELIER, MASKE + SUHREN ARCHITEKTEN UND DESIGNER GMBH, MÄRZ 2013.

 

BikiniBerlin, Zoo Palast, Schnitt Neue Säle, Maske + Suhren  Architekten und Designer GmbH, März 2013.

BIKINI BERLIN, ZOO PALAST SCHNITT NEUE SÄLE, MASKE + SUHREN ARCHITEKTEN UND DESIGNER GMBH, MÄRZ 2013.

 

BIKINI BERLIN, ZOO PALAST, GRUNDRISS 1. OG, MASKE+SUHREN ARCHITEKTEN UND DESIGNER GMBH, 31.05.2013.

BIKINI BERLIN, ZOO PALAST, GRUNDRISS 1. OG, MASKE+SUHREN ARCHITEKTEN UND DESIGNER GMBH, 31.05.2013.

BIKINI BERLIN, ZOO PALAST, GRUNDRISS EG, MASKE+SUHREN ARCHITEKTEN UND DESIGNER GMBH, 21.05.2013.

BIKINI BERLIN, ZOO PALAST, GRUNDRISS EG, MASKE+SUHREN ARCHITEKTEN UND DESIGNER GMBH, 21.05.2013.

Auf welchen Stand bezieht sich die denkmalpflegerische Prämisse?
Im Rahmen der Bestandsaufnahme haben wir von Seiten des Betreibers eine restauratorische Untersuchung durchgeführt, um die Originalfarbigkeit zu ermitteln. Wir haben sehr viele historische Fotos über den Zoo Palast und das Atelier recherchiert. Dann war klar: Wir werden nichts erhalten, was zwischen 1957 und 2010 passiert ist. Wir definieren 1957 als Bezugspunkt für den Zoo Palast und werden so viele Dinge wie möglich erhalten oder rekonstruieren. Ergänzend hierzu gibt es Anforderungen vom Betreiber, die wir erfüllen müssen. Wir wollen ein Kino machen, das Zukunft hat, ähnlich wie 2008 beim Astor. Wenn ein denkmalgeschütztes Kino Zukunft haben will, muss es wandelbar werden – und gleichzeitig seine Identität behalten. Das ist eine Gratwanderung. Aber das Kino verliert seine Funktion, wenn es nicht modern bleibt.

Gibt es abseits von den Fotos weitere Quellen, um Farblichkeiten oder andere architektonische Details herauszufinden?
Nach der Eröffnung 1957 gab es z.B. Beschreibungstexte in der Bauwelt. Wir haben sie nachvollzogen und versuchen sie mit dem Erhaltenen abzugleichen. Vom Inneren gibt es nur schwarz-weiß Fotos, von Außen gibt es auch einige Farbfotos, auf deren Basis man Materialfarben verifizieren kann. Auch die restauratorischen Befunde geben darüber Auskunft. Das Buch von Christine Kisorsy aus dem Jahre 2010 ist insofern sehr wichtig, weil man damit die historischen Fotos mit den Fotos vor dem Abriss abgleichen und so Unterschiede feststellen kann.

Wie wird das Verhältnis von erhaltener und völlig neuer Substanz sein?
Wir stehen hier im Hauptfoyer. Sie sehen erhaltene Substanz an den Säulen, an den Treppengeländern, an den Spiegelwänden. Und Sie sehen natürlich die Decke in ihrer Form, ihrem Schwung. Was Sie nicht mehr sehen, ist der Tresen, weil er gar nicht historische Substanz war, sondern 1994 mit dem Umbau von UCI aus England gekommen ist, ebenso wie die Kassenhäuschen. Alle dachten, beide Bauelemente seien historisch, aber die historischen Fotos haben belegt, dass sie das nicht sind. Wir werden die Tresenfront rekonstruieren, weil sie wesentlicher Bestandteil der Gestaltung des Hauptfoyers ist. Die Kassenhäuschen werden dagegen neu gebaut. Die originalen Kassenplätze wurden schon zur Erbauungszeit dem Bedarf nicht gerecht, die Korrektur ist hier betriebsbedingt zwingend erforderlich.

Wie ist der Materialkontext von Zoo palast und Bikinihaus?
Er ist nur im Rohbau vorhanden. Vermutlich waren die selben Statiker beauftragt. Jedenfalls findet man die gleichen Bauweisen. Von der Architektursprache und von der Innenraumausstattung her sind beide Gebäude unterschiedlich. Das spricht dafür, dass Gerhard Fritsche hier im Zoo Palast einen maßgeblichen Einfluss gehabt hat. Die anderen Gebäude waren Sichtbetonbauten, hier haben wir dagegen einen gelblichen Keramikbelag an der Außenfassade. Aber es gibt auch ähnliche Bauelemente in den beiden Komplexen, z.B. die Fenster, sodass die Durchgängigkeit des Gesamtkomplexes durch Paul Schwebes und Hans Schoszberger gesichert ist.

Wo ist die Grenze zwischen ihrer Verantwortung als Innenarchitektin und den Architekten des Rohbaus?
Der Rohbau wurde noch vom Generalplaner KEC geplant und wird entsprechend von der Bauleitung umgesetzt. Hier gab es eine konstruktive Zusammenarbeit. Wir haben am Rohbau im Wesentlichen hinsichtlich der Bedingungen für das Kino mitgearbeitet und gleichzeitig die Innenarchitektur angepasst. Aus den Möglichkeiten, die das Grundstück bietet, werden Grundbedingungen geschaffen, die auf das Kino Einfluss haben. Das sind nicht immer ideale Bedingungen, aber wir sind hier mitten in der Stadt, die Flächen sind begrenzt, es gibt denkmalgeschützte Gebäude, und es gibt Verträge, die berücksichtigt werden müssen. Als wir den Betreiber-Wettbewerb gewonnen haben, hatten die drei neuen Kinosäle eine andere Lage. Aus verschiedenen Gründen mussten die Säle im Laufe der Planung gedreht werden. Also haben wir zusammen mit KEC versucht, möglichst optimale Räume zu schaffen. Daraus ergab sich eine Disposition mit übereinander liegenden Sälen.

Wie arbeiten sie mit Akustikern zusammen?
Den Akustiker haben wir gleich mit Planungsbeginn mit ins Spiel gebracht. Wir haben die akustische Qualität und Positionierung der Wände untersuchen lassen, die gezeigt haben, dass in jedem Fall Vorsatzschalen gebraucht werden, ein heute gängiges und auch kostengünstiges Mittel.

Wird es im Innenraum weitere Änderungen geben, um den Schall zu verbessern?


Neben den bauakustischen Ertüchtigungen erfolgen natürlich auch raumakustische Maßnahmen. Die Aufgabenstellung unterscheidet hier die Altbau- und die Neubaukinos. In Kino 1 versuchen wir, die historischen Holzpaneele und deren Unterkonstruktion zu erhalten. Diese Art von geschlossener Holzverkleidung wird normalerweise in Konzertsälen verwendet, um den Schall zu reflektieren, im Kino ist sie kontraproduktiv. Damit die Holzwände nicht störend wirken, werden wir gezielt auf elektroakustische Maßnahmen zurückgreifen, den Schall sehr genau auf das Publikum richten und die Holzwände aussparen. Wir werden mit Line-Arrays hinter der Leinwand arbeiten. Diese Lautsprecher werden bananenförmig in Reihe angeordnet und sind eigentlich im Kino unüblich. Diese speziell justierte Form der Kinobeschallung wird vmtl. einmalig sein. Letztlich dient diese aufwändige akustische Maßnahme aber dem Raumerhalt.

Was der Raum der Akustik nimmt, wird also durch die Elektronik kompensiert?
In den 50er Jahren war der Sound im Kino etwas völlig anderes. Er kam ja in der Regel von vorne. Hier im Zoo Palast kam er ja sogar schon von der Seite aus einigen hinter der Wandverkleidung verborgenen Lautsprechern. Wir werden ebenfalls einige Lautsprecher verbergen, haben mit der Denkmalpflege aber z.B. die Sichtbarkeit der Surrounder besprochen, um möglichst viel von der historischen Substanz zu schonen. 
Die ZÜRCHER VERLOBUNG als Eröffnungsfilm ist akustisch eine ganz andere Herausforderung für einen solchen Raum als beispielsweise DER HOBBIT mit Surround-Akustik.

 

Karl-Friedrich Schinkel, Bühnenbildentwurf für die Oper "Die Zauberflöte" - die Sternenhalle der Königin der Nacht;

Karl-Friedrich Schinkel, Bühnenbildentwurf für die Oper „Die Zauberflöte“ – die Sternenhalle der Königin der Nacht; Gouache, 46,4 x 61,5 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett.

 

Ist die Herstellung der Sternenhimmeldecke in Saal 1 vom Stand 1957 so wieder möglich?
Ja. Dieser Sternenhimmel folgt dem Bild einer Sonnenuhr, einem kosmischen Bild. Auch in anderen Räumen gibt es kosmische Bilder. Vielleicht sah sich Fritsche im großen Saal von Schinkels Bühnenbild für die „Königin der Nacht“ inspiriert, das für viele Bühnenarchitekten sehr wichtig war. Der Saal 1 im Zoo-Palast wurde ja auch als blaues Kino entworfen. Da könnte es Bezüge gegeben haben. 
Wir werden diese kosmischen Bilder jedenfalls in der Lichtplanung weiter transportieren. Wir werden in den Vouten der Decken zusätzlich zu den Leuchtstoffröhren LED-Leuchten montieren. Sie sind wartungsarm und können unterschiedliche Lichtstimmungen erzeugen. Hinsichtlich der Raumstimmung arbeiten wir natürlich viel mit Licht. Wir können Baudenkmale durch Licht in verschiedene Wahrnehmungsstimmungen versetzen und veränderbar machen, ohne in den Bau einzugreifen. Die Säle werden daher aus Gründen der Inszenierung mit mehr Lichtquellen ausgestattet als sie im Original hatten.

Gewissermaßen ist die Rolle der Innenarchitektur paradox. Einerseits geht es darum, einen Raum der Gemütlichkeit zu schaffen, andererseits geht es darum, die Innenarchitektur während des Films zum Verschwinden zu bringen.
Über die Architektur leiten wir den Besucher. Wir führen ihn durch das Kino, durch das Abenderlebnis, durch das Dunkel- und Hellwerden und später wieder zurück auf die Straße. Es macht nichts, wenn die Architektur eine Zeit lang zurücktritt, weil sie in diesem Moment ihre Arbeit ja schon geleistet hat. Kino ist ein Gemeinschaftserlebnis. Man hört andere lachen, und man sieht auch den Raum immer mal wieder blitzen, er bleibt also als Orientierung. Deshalb beunruhigt mich das Thema nicht.

Der Zuschauerkörper stellt insofern für Sie als Innenarchitektin eine Herausforderung dar, als dass er eingestimmt werden muss, dass er nicht zu bequem sitzen darf, damit er nicht einschläft. Der lustige Theorie-Feuerkopf des russischen Kinos, Sergei Eisenstein, wollte einst Feuerwerkskörper unter den Sesseln zünden, um den Zuschauern im Rechten Moment einen wohlplatzierten Schock zu versetzen. Eisenstein hätte sich vmtl. in der ASTOR FILMLOUNGE und dem künftigen Zoo Palast wohl etwas um seine Ambitionen betrogen gefühlt. Das widerspricht der Rahmenbedingung der Ruhe und insofern fände ich interessant, was dem Zuschauerkörper überhaupt noch abverlangt wird, wenn dieser in eine Atmosphäre einschmeichelnden Wohlfühlens, des Ambientes des Relaxens versetzt wird.
Es ist fraglich, ob der Ort Kino das leisten kann, was Sie ansprechen. 
Aber wenn das Kino ein Ort der Gesellschaft ist, dann kann die Gesellschaft an dieser Stelle reagieren. Was Eisenstein mit seinen Feuerwerkskörpern angeregt hat: „Mensch, wach auf! Das, was Du da siehst, das soll Dich bewegen, Deine Realität zu verändern“, kann im Kino tatsächlich nur als Anregung wirken. 
Aber ein Kino ist ein Ort der Konzentration. Die Zuschauer spüren, wenn viele Menschen von einer Situation erschüttert oder beglückt sind. In Frankfurt haben wir gerade ein Kino eröffnet und für die beteiligten Handwerker nach Abschluss der Arbeiten ARGO gezeigt. Es gab danach viele Gespräche über den Inhalt dieses Films. Ich denke, es liegt am Film, ob es eine Auseinandersetzung mit dem Inhalt geben kann. Das Kino sollte ein Konzentrationsraum sein, damit man den Inhalten des Films näherkommt und ihnen im angemessenen Maßstab begegnen kann, also teilweise auch sehr groß und sehr eindringlich. Eine große Leinwand kann ähnlich wie ein Feuerwerkskörper sein.

Das heißt, die Strategie ist, den Zuschauer in ein bequemes Ambiente zu setzen, um ihn desto eher in eine Situation zu bringen, in der er sich von dem Geschehen auf der Leinwand berührt fühlt?
Ich denke nicht, dass der Zoo Palast solche Strategien überhaupt verfolgt. Der Raum kann doch in Bezug auf den Film nur ein möglichst störungsfreies Kinoerlebnis bieten. Ich war gestern in Nürnberg in einem Kino, dort lief auf einer 30m breiten Leinwand DJANGO. Ich hatte den Film vorher gesehen, aber auf dieser riesigen Leinwand habe ich einige Szenen viel ergreifender erlebt. Ich habe auch die vielen Menschen gesehen, die genauso ergriffen waren wie ich. In einer Szene ging es um die Brutalität der Sklavenhaltung, und ich finde, dass dem Zuschauer da sehr viel abverlangt wird, wenn man in dieser Dimension mit dem Filmgeschehen konfrontiert wird – das kann man im Home-Kino einfach nicht schaffen. Dazu braucht man ein hervorragendes Kino.

Ist das Konzept des Premiumkinos eine Reaktion auf das Home-Cinema? Versucht man, die Leute wieder aus dem Heimischen ins Öffentliche zu holen?
Hans-Joachim Flebbe hat die Multiplexkinos erfolgreich gemacht und das erste Multiplex in Deutschland gebaut, aber er hat natürlich auch immer wieder negative Reaktionen bekommen. Als er Cinemaxx verlassen hat, hat er gesagt: „Ok, jetzt mache ich Kino für all die Leute, die mir gesagt haben: ‚Ich mag das Popcorngeraschel nicht, ich mag telefonierende Leute nicht im Kino. Es macht mir keinen Spaß mehr im Multiplex’, jetzt mache ich Kino für diese Menschen.“ Dort hat das Astor seinen Ursprung, nicht beim Home-Cinema. 
Home-Cinema ist wie: ich esse zuhause, ich schaue zuhause meinen Film, zuhause mache ich das Alltägliche. Wenn ich aber ausgehe, brauche ich eine adäquate Umgebung, um z.B. Essen oder ins Kino zu gehen. Ein Filmtheater verortet den Film als Medium. Das ist physisch spürbar. Es knistert und jemand bewegt sich, sie sehen räumlich, sie riechen – und wenn es nur Popcorn ist. 
Sie spüren die anderen Menschen, Sie lachen zusammen ganz anders. Ein völlig anderes Erlebnis, wenn auch in der Sache gleich. Beides steht nebeneinander. Die Kinos von Hans-Joachim Flebbe ermöglichen Menschen wieder eine Verortung des Films.

An welche Kundschaft wird sich der Zoo-Palast richten?
Der Zoo Palast wird ein PremiumKino werden. Wir haben es zwar mit 1700 Sitzplätzen und somit mit einer Art Grossbetrieb zu tun, er ist aber nicht vergleichbar mit großen 22-Saal-Kinos. Insofern muss der Standard ein anderer sein. Der Zoo Palast wird Leute ansprechen, die Filme in einem großen Saal sehen und trotzdem nicht auf ihre Bequemlichkeit verzichten wollen. Es ist für Menschen gedacht, die Kino als ein Erlebnis betrachten. An einigen Plätzen wird es Saalservice geben. Wir erhoffen uns natürlich ein leidenschaftliches Stammpublikum und eins, das den angemessenen Service schätzt.

Früher bildete das Atelier eine Heimstätte für das Arthouse-Kino, während oben im Saal 1 die Blockbuster liefen. Wie wird das Programm künftig im Zoo Palast ausschauen?
Im großen Saal werden die Premieren stattfinden und die großen Filme gespielt. In die mittelgroßen Säle kommen Filme für ein ausgewählteres Publikum oder Filme, die bereits länger in der Spielzeit laufen. Es wird sicher ein Klassikerprogramm geben, ähnlich wie im Astor. 
Vermutlich werden auch Filme im Original mit Untertitel gezeigt. Das Konzept wird aber erst noch erarbeitet. 
Der Zoo Palast war im Berliner Westen ein wichtiger Baustein in der Kinolandschaft, und das wird er auch wieder werden.

Wie sehen Sie das Verschwinden der Kinos vom Boulevard?

Das ist extrem bedauerlich für Charlottenburg. Die ehemalige Kino-Perlenkette am Kurfürstendamm war beeindruckend, man konnte an 20 oder mehr Kinos vorbeischlendern und den Film oder das Kino auswählen, das am meisten inspirierte. Im Grunde war der Kurfürstendamm ein lang gestrecktes Multiplex. Mit den großen Kino-Centern ist eine Facette des städtischen Spaziergangs verloren gegangen, und das ist extrem schade. Man kann es nicht ändern, es ist einfach so.

Was bedeutet für Sie Gastfreundschaft?
Gastfreundschaft ist zuallererst immer einmal ein Lächeln. Wenn der Besucher hineinkommt, kann er sehen, dass man sich auf ihn freut, ihn anlächelt und ihn begrüsst. Der Service muss für die Kunden gemacht sein, nicht für die Logistik des Kinos.

So wäre das Foyer das erste Lächeln des Hauses?
Ja, bzw. das Vordach oder das Kassenhäuschen. In der Regel ist der Vorplatz das erste Lächeln. Den Weg ins Kino, den Fritsche immer sehr eindrücklich inszeniert hat, betrachten wir als zweites Lächeln, mit all den Stationen, die dazugehören. Das dritte Lächeln ist, dass der Besucher nicht in irgendeinen anonymen, schwarzen Raum geführt wird, sondern in einen Saal. Das Raumerlebnis muss ein Höhepunkt sein.

Wenn man das Gebäude anthropomorphisiert und quasi als menschlichen Kopf oder Körper betrachtet, wie differenziert sich das Gebäude dann aus?
Man könnte den Zoo Palast als Büste betrachten. 
Die große Leinwand von Saal 1 zeigt in Richtung Tauentzien und fungiert wie eine innere Netzhaut. Es gibt zwei kleine Kinos, die wie Backenzähne im hinteren Bereich des Gebäudes liegen. Die Fenster in Richtung Ost und West scheinen wie kleine Insektenaugen, die beiden Treppenaufgänge ziehen sich wie zwei Kragen hoch bis zum Vorführraum. Der Saal 1 wäre wohl der Kopf und die Installationsräume über den hängenden Decken wie ein Gehirn. 
Eigentlich ist aber das Kniegelenk im Gesamtzusammenhang das schönere Bild.

Das Kniegelenk?
BikiniBerlin besteht aus mehreren Gebäuden, die an einer abknickenden Linie erbaut wurden. Der Knick dieser Linie liegt an der Hardenbergstraße. Der Zoo Palast sitzt wie ein Kniegelenk an dieser Stelle. Das gilt vor allem aus der stadtplanerischen Perspektive.

Haben Sie Einfluss auf die Namensgebung der Räume?
Im Moment haben die Säle Arbeitstitel bzw. sind durchnummeriert. Das Atelier wird wahrscheinlich seinen Namen zurückerhalten. Der große Saal hatte noch nie einen Namen, es war immer einfach der Zoo Palast. Wir arbeiten bereits am CI und an den damit verbundenen Namensgebungen, aber für die Säle gibt es noch kein finales Ergebnis.

Wird es dann am Zoo Palast auch wieder eine Kunst der Plakatierung geben?

Ja. An der Fassade gibt es noch die historischen 60 Befestigungspunkte für Plakate. Die werden wir auch wieder verwenden, wesentlich für handgemalte und teilweise auch bedruckte Plakate. Wir werden auch freie Plakatformen verwenden. Eine traditionelle Plakatierung ist Hans-Joachim Flebbe wichtig.

Wird die Berlinale dann ab 2014 wieder im Zoo-Palast sein?
Die Berlinale wird in ihrem Zentrum am Potsdamer Platz bleiben, nach der Wende war das ein deutliches Zeichen Richtung Rest der Welt: jetzt sind wir wieder eins! Der Zoo Palast wird Anteil an der Berlinale haben und sicherlich gute Filme und wichtige Veranstaltungen wieder in den Westen bringen. Der Zoo Palast wird der größte Kinosaal in Berlin sein. Beim Umbau haben wir darauf geachtet, das Kino als Berlinalehaus wiederherzustellen. Es gibt selbstverständlich Gespräche zur Berlinale-Nutzung. 
Vor allem sind es die Künstler, die den Zoo Palast unbedingt wieder nutzen wollen. Es gibt ein ganz klares Votum für den großen Saal, auch um Übertragungen von einem Kino in das andere zu vermeiden. Und die Welt möchte, glaube ich, gerne mal wieder im Zoo Palast feiern. Das werden wir möglich machen.

Eröffnungstermin ist Herbst 2013?
Es ist ein echter Kraftakt, das zu stemmen. Wir sind zu achtzehnt im Büro und davon arbeiten zur Zeit dreizehn Personen am Zoo Palast.

 

Vielen Dank für das Gespräch.