Als junges Filmmagazin will FRAGMENT FILM vor allem dem „Filmnachwuchs“ über die Schultern schauen und Positionen angehender Filmemacher reflektieren. Bernadette Klausberger und Niklas Hlawatsch, zwei ehemalige Produktionsstudenten der Deutschen Film und Fernsehakademie (dffb), haben uns in ihr Kreuzberger PRODUKTIONSBÜRO PFEIFFERS eingeladen und sprachen unter anderem über die Ausbildung an der dffb, den politischen Geist der 68er, den deutschen Film und den Umgang mit Kritik.
Bernadette Klausberger studierte Europäische Medienwissenschaften an der Universität und der Fachhochschule Potsdam. Während ihres Bachelors entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Arbeit mit Film und Video und belegte bereits zahlreiche Filmseminare an der HFF in Potsdam-Babelsberg. Nach dem Studium bewarb sie sich an der dffb für den Studiengang Produktion. Nun, da sie ausgebildete Produzentin ist, arbeitet sie vor allem im Bereich Filmproduktion und Medienbildung, wobei ihr besonderes Interesse Transmedia-Projekten gilt.
Niklas Hlawatsch interessierte sich bereits während der Schulzeit für Fotografie und Film. Nach dem Zivildienst studierte er Digital Filmmaking am SAE-Institut in Köln. Nach seinem Abschluss arbeitete er zunächst bei MEDEA-Film in Berlin. Dort arbeitete er unter anderem mit Rosa von Praunheim und Elfi Mikesch zusammen. An der dffb studierte er Produktion. Neben seiner Tätigkeit als Produzent im Bereich Film, Kultur und Medienbildung arbeitet er für verschiedene Filmproduktionen als Aufnahme- und Produktionsleiter.
Noch während ihres gemeinsamen Studiums an der dffb gründeten Bernadette und Niklas das PRODUKTIONSBÜRO PFEIFFERS. Ihr aktueller Film STAMPEDE lief u.a. auf den Hofer Filmtagen und beim New Directors/New Films Festival im MoMA in New York.
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FRAGMENT FILM: Weshalb habt ihr euch für die dffb entschieden? Wieso nicht für die HFF, obwohl ihr ja beide dort schon Erfahrung sammeln konntet?
Bernadette Klausberger: Mir ist aufgefallen, dass die Philosophie der beiden Schulen sehr unterschiedlich ist. Tatsächlich haben mich an der dffb einerseits die Filme überzeugt, die dort entstehen und ich mochte, dass die Schule eine Geschichte hat, die man in Berlin noch immer spürt. Mir war dann dieses „westdeutsche Filmrevoluzzertum“ persönlich näher und vom Anspruch her interessanter als die Babelsberger Studiohistorie. Mir gefiel auch, dass die dffb Bewerber nach Persönlichkeit ausgewählt werden und nicht nach bereits erworbener Arbeitserfahrung.
Niklas Hlawatsch: Ich habe mich damals an der HFF Potsdam-Babelsberg, an der Filmakademie Baden-Württemberg und der dffb beworben. Was für mich den Ausschlag gab, waren die Bewerbungsverfahren: An der dffb wurde ich am meisten gefordert, also wusste ich, dass ich dort am meisten lernen könnte. Ein anderer Faktor war Berlin. Der „Nestcharakter“, wie es ihn zum Beispiel an der Filmakademie in Ludwigsburg gibt, mag zwar viele Vorteile haben, ich wollte aber in einer großen Stadt leben, in der man Menschen ausweichen kann.
FF: Merkt man den „Nestcharakter“ den Produktionen in Ludwigsburg an? Sind die Filme in Berlin offener?
NH: Vielmehr als den Nestcharakter, kann man unterschiedliche Thematiken in den Filmen der Hochschulen ausfindig machen. Ludwigsburg produziert häufig Coming-of-Age Geschichten, die nah an der eigenen Schulzeit und am Studium dran sind oder auch familiäre Themen behandeln. An der dffb ist die Vielfalt eine andere, das hängt auch damit zusammen, das die Studierenden bei Studienbeginn häufig älter sind.
BK: Ich müsste noch mehr Filme aus Ludwigsburg sehen, um die Unterschiede genauer zu definieren. Aber man kann sagen, dass das Berliner Stadtbild die Leute, die hier leben, nachhaltig beeindruckt und sich das in den Filmen widerspiegelt.
FF: Bernadette, du bist an die dffb gekommen, weil dich der politische Mythos der Schule gereizt hat. Haben sich deine Erwartungen erfüllt?
BK: Ja, aber auf eine ganz andere Art, als erwartet. Als wir unser Studium aufnahmen, war Hartmut Bitomsky Direktor der dffb. Und der war von diesem politischen Geist sehr geprägt, hatte selbst dort studiert und kannte die Schule sehr gut.
Im zweiten Jahr unseres Studiums gab es riesige schulinterne Bewegungen, die propagierten, dass Hartmut Bitomsky nicht der richtige Direktor für diese Schule sei. Das ging sowohl von Studierenden als auch Dozenten aus. Der politische Gestus der dffb-Gründerjahre kam so in veränderter Form zurück, weil es für diese kleine Schule auf einmal so bewegend war, wer die Führungsposition inne hatte und wie man sich dazu verhalten sollte. Die Art und Weise, wie diese schulpolitische Auseinandersetzung von allen Beteiligten geführt wurde, fand ich unmöglich und unreif. Der politische Geist, den man so romantisierend in der dffb vermutet, hat leider aus meiner persönlicher Erfahrung nichts zur Qualität meines Studiums beigetragen, sondern den Regelbetrieb eher gefährdet: An die Dozenten wurden nun bestimmte Erwartungshaltungen und Solidaritätsbekundungen pro/kontra neuer Direktor geknüpft und das hat alle Seminarthemen überschattet.
NH: Ich würde der Diskussion um Hartmut Bitomsky alles Politische absprechen. Im Vergleich dazu, was die dffb als politische Historie hat, gibt es wesentliche Unterschiede: In den 68er Jahren, als die dffb neu gegründet worden war, gab es ein großes Anliegen: Man ging an eine Akademie und nutzte das Medium Film, weil man etwas Politisches bewegen und erzählen wollte. Heute geht man an die Filmakademie, um Filmemacher zu werden. Im Mittelpunkt der Studierenden unserer Generation steht der Berufswunsch.
An der dffb sind irgendwann gewisse Unzufriedenheiten aufgestoßen, die dann auf Herrn Bitomsky projiziert wurden. Diese Unzufriedenheiten bestanden vor allem darin, dass viele der Ansicht waren, ihre Filme seien nicht sichtbar genug. Die Öffentlichkeitsarbeit der dffb sei nicht stark genug und die Vertretung auf Festivals würde nicht genügend unterstützt. Hinter all dem steht die Angst, die eigene Karriere könnte nicht in Schwung kommen und man könnte in der (inter)nationalen Filmwelt untergehen. Das ist eine berechtigte Besorgnis, die ich niemandem absprechen will. Man kann über eine veränderte Strategie der Öffentlichkeitsarbeit oder der Festivalpositionierung diskutieren. Aber man kann diese Streitpunkte definitiv nicht einer einzelnen Person vorwerfen.
FF: Es hat sich einiges verändert und in den Medien wurde viel über den Wechsel an der dffb und die Abschaffung der studentischen Mitbestimmungsorgane berichtet. Wie bewertet ihr die aktuelle Situation unter dem neuen Schulleiter Jan Schütte?
NH: Die beiden Leiter sind komplett unterschiedlich. Ich glaube, dass die dffb mit Herrn Schütte genau den Direktor bekommen hat, den die meisten Studenten forderten. Nämlich jemanden, der sich schwerpunktmäßig um die Außenwirkung der dffb bemüht. Wenn einem diese Aspekte wichtig sind (Austauschprogramme, feierliche Absolventenverabschiedung etc.), hat Jan Schütte viel für die dffb getan.
BK: Unter Jan Schütte werden zwar nach wie vor Studierende mit einbezogen, aber der studentische Rat wurde als eine seiner ersten Amtsaktionen abgeschafft.
Die Sitzungen der studentischen Mitbestimmung sind aufgrund mangelhafter Diskussionskultur gescheitert. Man muss zwar nicht gleich die gesamten studentischen Mitbestimmungsorgane abschaffen, aber an diesen Sitzungen wollte man auch nicht gerne teilnehmen. Das liegt daran, dass so viele Individualisten an der dffb studieren und es daher sehr schwierig ist, mehrheitliche Entscheidungen zu fällen. Was Hartmut Bitomsky anbelangt, war er für mich eine interessante Person, weil er einen zur Auseinandersetzung gereizt hat. Er hatte sehr klare Prinzipien und war das Gegenteil von einem charmanten Intendanten oder Networker. Die Begegnungen mit ihm verliefen nicht immer geschmeidig, aber sie haben mir gezeigt, was es bedeutet, Haltung zu etwas zu beziehen. Ich erwarte mir von einer Schulleitung nicht, dass sie mich protegiert oder mich bestimmten Redakteuren vorstellt.
FF: Wie läuft an der dffb die Zusammenarbeit der verschiedenen Studiengänge miteinander?
BK: Dadurch, dass zum Beispiel im ersten Jahr noch komplett aufgehoben ist in welchem Gewerbe man studiert und man von der Schule in Arbeitsgruppen aufgeteilt wird, in denen Autoren, Kameraleute, Regisseure und Produzenten zusammenarbeiten, ist man gezwungen, auch wirklich jeden kennen zu lernen. Die Schule stellt dementsprechend sicher, dass man sich seine Kollegen nicht gleich nach Sympathien, Erfahrung oder taktischem Vorteil aussucht, sondern dass auch wirklich jeder mit jedem einmal zusammen arbeitet. Von der Schule wird man zunächst als „Filmemacher“ ausgebildet, was einem theoretisch die Möglichkeit offen lässt, sich für einen anderen Weg zu entscheiden und dann vielleicht doch Cutter statt Produzent zu werden. Die Praxis zeigt aber, dass man trotzdem sowohl von Kollegen, als auch von Dozenten schnell als Fachidiot seiner eigenen Profession angesprochen wird. Auf diese Weise entstehen gewisse Bewertungen, die die Zusammenarbeit verkomplizieren. Nach fünf Jahren Studium ist es eine große Erleichterung für mich, dieses Label „Bernadette Klausberger, Studiengang Produktion“ los zu sein! Die Schule betreibt zwar auch Individualförderung, ist aber für die konkreten Projekte dann schlussendlich weniger Matchmaker als ich dachte. Am Besten man findet sich einfach schnell als Team: So wie wir beiden uns gefunden haben! (lacht)
NH: Die Tradition der „Filmemacherschule“ beinhaltet vor allem Individualförderung, das heißt, es werden Einzelpersonen stark gefördert und das stärkt natürlich letztendlich auch ein gewisses Ego, was die Teamarbeit nicht immer einfach macht. Andererseits bot dieses Umfeld, das die verschiedensten Individuen mit unterschiedlichen Auffassungen und Filmgeschmäckern vereinte, einen wunderbaren Nährboden für sehr intensive Diskussionen, die ich als extrem bereichernd empfunden habe. Das ist für mich Studium: die Diskussionen über Inhalte und die Auseinandersetzung mit Kommilitonen und Dozenten. Ob ich mich über Herrn Bitomsky oder Herrn Schütte streite, das interessiert mich doch spätestens in zwei Jahren nicht mehr. Das Abarbeiten an den Anderen jedoch, und wie ich mir in diesem Prozess eine eigene Berufsauffassung erarbeitet habe, das ist für mich das Prägende dieses Studiums.
FF: Wenn man sich so intensiv miteinander auseinandersetzt und aneinander abarbeitet, hat man dann überhaupt noch Lust, auch nach dem Studium weiter zusammen zu arbeiten?
BK: Bei uns war das der Fall. Im zweiten Studienjahr bekamen wir die Möglichkeit unsere „Übungsfirma“ zu gründen, wo wir uns unter geschützten Bedingungen zunächst erproben konnten, wie so eine professionelle Zusammenarbeit auch ohne diese geschützten Bedingungen ansatzweise sein könnte. Sicherlich hat bei diesem Prozess der Findung geholfen, was Niklas auch schon beschrieben hat: Dieses sich am Anderen abarbeiten, an den unterschiedlichen Auffassungen und Positionen, aber in einem ähnlichen Berufsfeld. Das ist eine der großen Qualitäten, die das Studium zu bieten hatte. Ebenso wertvoll ist die Tatsache, dass die Dozenten zum Großteil selbst aus der Praxis kommen. Dadurch entstehen wichtige Mentor-Junior-Beziehungen, die auch auf professioneller Ebene interessant sein können.
Im zweiten Teil des Interviews sprechen Niklas und Bernadette über die Produktionsbedingungen außerhalb der Schule, das Fernsehen und den Anspruch an die aktuelle Filmkritik.
Das Interview führten Tatiana Braun und Deniz Sertkol.