LOVELACE von Rob Epstein und Jeffrey Friedman ist die Geschichte über die Pornodarstellerin Linda Susan Boreman, besser bekannt unter dem Namen Linda Lovelace und die durch ihren Porno und Kassenhit DEEP THROAT aus dem Jahr 1972 berühmt geworden ist. Aber wer ist, und die Frage stellt der Film in einem Voice-Over gleich zu Beginn, eigentlich die wahre Linda Lovelace?
Linda (Amanda Seyfried) wächst in einem Vorort auf und das in einer katholischen Familie (Sharon Stone und Robert Patrick), in der die Maxime herrscht, dass die Ehefrau ihrem Mann gehorchen muss. Wie alle andere in ihrem Alter, will sie sich eigentlich nur ihr Leben leben und frei sein. Als sie eines Abends Chuck Traynor (Peter Sarsgaard) kennenlernt, sieht sie ihre Chance aus der Enge und Prüderie ihres Elternhauses zu entfliehen. Die beiden heiraten und ziehen zusammen. Von Chuck animiert, steigt sie schließlich leichtgläubig in das Geschäft der Pornoindustrie ein, immer von dem Gedanken beseelt, eines Tages eine richtige Schauspieler zu werden und glaubend, dass sie nicht für immer eine Pornodarstellerin sein wird. Doch bald muss sie nicht nur die dunklen Seiten der Pornoindustrie, sondern auch die herrschsüchtigen und machtgierigen Seiten ihres Ehemanns Chuck erkennen.
Linda wird immer mehr zu einer Art Ware, die durchgereicht wird, die am Ende fast nur noch als „that chick from the movie“ bekannt ist und deren echten Namen gar keiner mehr wirklich kennt. Selbst sie weiß bald nicht mehr, wer sie wirklich ist.
Der Film ist mehr als nur ein Portrait vom Aufstieg und Fall einer ehemaligen Pornodarstellerin. Im ersten Teil portraitieren Epstein und Friedman Lindas Werdegang vom Vorstadtmädchen zum gefeierten Pornostar. Der zweite Teil des Films hingegen offenbart die wahre Geschichte hinter diesem Aufstieg und Fall und eben das, was hinter den Kulissen, den sprichwörtlichen Mauern in Wirklichkeit passiert ist. Der Film zeigt hier all das, was im ersten Teil nur ein Off war und das man zwar sicherlich geahnt hat, aber vielleicht nicht ganz hinterfragen wollte. So zeigt der Film auch die Brutalität und die Demütigung, die Linda durch ihren Mann erleiden musste, wie z.B. die der Zwangsprostitution und die der Schläge.
Der Film ist keine Anklage gegen das sicherlich düstere, aber immer gleich a priori als böse beschuldigte System der Pornoindustrie. Die Regisseure rücken bewusst den Menschen in den Vordergrund, der hinter dem Pseudonym Linda Lovelace steckt. Paradigmatisch hierfür ist wohl Szene, in der Chuck den Produzenten von A&M Films die daheim gedrehte Szene des 8mm Films zeigt, die später das zentrale Element von DEEP THROAT ausmachen sollte. Als die Produzenten den Film schauen und dabei die „Fähigkeit“ von Linda bewundern, verdecken sie dem Zuschauer den Blick auf den eigentlichen Akt und vermeiden damit, dass Linda nur auf diese eine Aktion reduziert wird. Es geht in LOVELACE eben nicht um den Film DEEP THROAT und das was ihn berühmt gemacht hat, sondern um den Menschen Linda.
Genauso wie schon in der Allen-Ginsberg-Verfilmung HOWL, mit der sie auf der Berlinale 2010 zu Gast waren, werfen Epstein und Friedman einen Blick auf ein weiteres Kapitel der Geschichte der amerikanischen Gesellschaft. Sie zeichnen ein klares und keineswegs wertendes Bild der Gesellschaft der 1970er, die sich zwischen Prüderie, Freizügigkeit und Aufbruch bewegte und die – trotz der Prüderie – ein zweifelsohne anderes Verhältnis zur Pornografie hatte, als unsere Gesellschaft heute. Es ist aber auch eine schöne Hommage an die Person hinter der Pornodarstellerin Linda Lovelace, die eines Abend eher zufällig auf den falschen Weg geraten ist und die sich von Anfang an nach einem normalen Leben gesehnt hat, danach eine Familie zu haben und Mutter und Ehefrau zu sein, die liebt und geliebt wird.
Selbst wenn dies nicht ausgesprochen wird, so steht am Ende doch auch die moralische Frage nach Vergebung und Verzeihen im Raum und der Tatsache, dass kein Mensch nach dem einen Fehler beurteilt werden sollte, den er, in der Hoffnung nach Freiheit und einem eigenen Leben, in seiner Jugend gemacht hat.