In seiner Filmästhetik erinnert der neue Film von Wong Kar Wai in vieler Hinsicht an IN THE MOOD FOR LOVE und 2046: fast der ganze Film spielt in einer beengten Umgebung, in den Zimmern und Räumen von Häusern und Kampfschulen oder vereinzelt auch in den engen Straßen, die auch z.B. in THE MOOD FOR LOVE eine zentrale Rolle spielten. Es ist aber auch die Dunkelheit und der scheinbar oft nicht enden wollende Regen, der die Szenerie wie ein Kammerspiel erscheinen lässt. Die Kamera von Philippe Le Sourde zeigt fast keine Außenaufnahmen und die Welt außerhalb dieser beengten und immer düster und farblos erscheinenden Umgebung, ist nur in den Spiegelungen der Regenpfützen zu sehen. Die Kamera verbleibt sehr nah am Geschehen und so sind die Nahaufnahmen ein wichtiges Element und zugleich ein Faszinosum dieses Films: der Blutstropfen eines Kämpfers der in Zeitlupe auf den von Wasser überfluteten Boden fällt, die Bewegung der Füße beim Kampf, Eiszapfen die auf den Boden fallen oder Schnee, der aufgewirbelt und federleicht durch die Luft schwebt.
Es herrscht in vieler Hinsicht eine Ästhetik und Betonung der einzelnen Elemente. Der Ton vieler Aktionen klingt ungewöhnlich deutlich und klar: das Kochen einer Suppe, das Knarren der Holzdielen unter der Füßen der Kämpfer oder ein Körper der gegen das Metalltor knallt. Es ist diese Ästhetisierung der Elemente und die Darstellung ihrer scheinbar vom Rest der (menschlichen) Welt losgelösten zeitlichen und physischen Dimension, die fasziniert und die Schönheit dieses Films ausmacht. Die Kraft des Kampfes, entlädt sich in den Elementen die zerbrechen, zerbersten und zu Bruch gehen. Überhaupt ist Zeit ein zentrales Element in der Gestaltung des Films. Neben den häufigen Zeitlupen, scheint sich die Zeit auch in den Momenten zu verlangsamen, in denen die Handlung auf die Ebene der Erinnerung wechselt. Die Bilder wirken als hätte man sie mit geringer Belichtungszeit gefilmt, um somit die Bewegung und die damit verbundene Zeit sichtbar zu machen. Bewegungen wirken stellenweise verschwommen und verlangsamt. Die gefühlte Zeit der Bilder scheint langsamer zu laufen als die des Tons und versetzt die Szene in eine andere, fast traumhafte Dimension.
In gewisser Hinsicht reproduziert der Film damit nicht nur die Ästhetik der historischen Dokumentarfilmaufnahmen, die an ein paar Stellen in den Film eingeflochten sind, sondern greift mit dieser gewollten bildlichen Unschärfe auch seine (materielle) Entstehungsgeschichte auf: so berichtet Wong Kar Wai in der anschließenden Pressekonferenz, dass am Anfang der Entwicklung ein Super-8 Film stand, der eine Kampfdarbietung des Großmeisters von Bruce Lee zeigte. Es zeigt sich somit eine Art Ästhetik des Vergangenen und so erscheint es auch nicht verwunderlich, dass Fotografien bzw. das fotografieren – quasi der Inbegriff des Erinnerns – immer wieder im Film auftaucht.
THE GRANDMASTER ist eine Hommage an die Kampfkunst des Kung Fu. Viel mehr sogar: wie Wong Kar Wai in der anschließenden Pressekonferenz selbst anmerkte, ist es eine Hommage, eben ein Festhalten der Erinnerung an die Männer, die Großmeister des Kung Fu und deren Ehrenkodex. Es ist ein Film über die fast vergangenen Welt dieser Menschen und nicht über die Kampfkunst.