Die Serie LOUIE wühlt in den Niederungen männlicher Identität und schlägt aus dieser Krisensituation Profit – auf Kosten der Lachmuskeln, wenn man es denn mag.
*S1E2 „Poker Divorce“
Die zweite Episode der ersten Season (S1E2) beginnt mit einer pokernden Männerrunde. Abgesehen von der USA-TV-konformen Abstinenz von Zigaretten ist das Setting immer noch aus dem 20. Jahrhundert: Männer beim Pokern mit Witzen unter der Gürtellinie. Das warme Licht, die zentrierte Ausrichtung auf den Kartentisch, die Enge der Männerkörper, die betont zirkuläre Kamera – hier gerät das konzentriert-harmonische Setting nur scheinbar in Widerspruch mit den ununterbrochen heraufbeschworenen Gürtelregionen. Die Männerrunde wird präsentiert als harmonischer Zwist des wandernden schwarzen Peters. Da, wo die Möglichkeit besteht tiefer und tiefer unter die Gürtellinie zu gehen wird gehalten. Wenn man denkt, dass es nicht mehr tiefer geht, geht es erst recht immer tiefer – solange bis es wegen einer kurzen Bemerkung, eines Drehs der Speerspitze aus Worten jemand anderen trifft. Die aggressiven Attacken kaschieren letztlich die Unsicherheit über die eigene männliche Identität. Die teils dreckige „Geschmacklosigkeit“ wird erst dann moralisch, als sie sich letztlich gegen diejenigen richtig, die sie aussprechen und eine tiefe Krise freilegt: die uneingestandene Unsicherheit über den Umgang mit dem antiquierten Männermodell. Und das schmerzhafte in dieser Runde für die meisten anwesenden Männer ist ja gerade, dass in ihren eigenen Reihen ein „faggot“ ist. Im Gegensatz zum Rest der Männer ist ausgerechnet er derjenige, der das entspannteste Verhältnis zu seiner Identität hat.
Genau an dieser Stelle gewinnt die Serie immer wieder Momente einer neuen Tonlage: in der giftig-selbstheischenden Wortatmosphäre, gewinnt nicht derjenige, der sich auf sein gekränktes Ich zurückzieht, sondern derjenige, der die Angriffe in eine unaufgeklärte, infantile Unmündigkeit wandelt. Erreicht wird dies einerseits durch in aller Unschuld vorgetragene, detaillierte Erläuterungen menschlicher Handlungen (häufig: sexuelle Vorlieben), andererseits im Duktus aufklärerischer Ernsthaftigkeit im Kleide einer ad hoc Lehrstunde in historisch-politischer Sache des Wortes „faggot“.
Dass der aufklärerische Ernst sogleich wieder durch den Dreck gezogen wird, hat die Lachnummer sicher – diesmal mit dem Gewinn, dass gerade das Wissen um diesen nun bewusst unmoralischen Grenzübertritt zum anerkannten Liebes- bzw. Freundschaftsbeweis wird. Ein Stirnkuss eines Schwulen an einen Homophoben ist die Antwort.