Short Stay von Ted Fendt

Berlinale Forum

Das Internationale Forum des Jungen Films ist mitunter dafür bekannt, die ein oder andere American Indie-Vorliebe zu bedienen. Andrew Bujalksi, Joe Swanberg, Josephine Decker oder Alex Ross Perry sind nur einige Namen, die man öfter im Programm der letzten Jahre sehen konnte.
Eine kleine Köstlichkeit auf 35-mm verbirgt sich hinter SHORT STAY von Ted Fendt.

Mike Maccherone in "Short Stay" by Ted Fendt courtesy of director

Mike Maccherone in „Short Stay“ von Ted Fendt © Ted Fendt

Der mittellange Film, der in Philadelphias herrlich durchschnittlichem Suburbia spielt, dreht sich um das relativ ereignislose Leben von Mike, einem lethargischen Zeitgenossen, der von nichts wirklich angetrieben zu sein scheint, aber zu den meisten Dingen im Leben „Ja“ sagt – weil es einfacher ist. Erst wohnt er bei seiner Mutter, dann trifft er seinen Kumpel Mark, der für einige Zeit nach Polen zieht und ihm sowohl die WG als auch den Job als Stadtführer („Free and Friendly Tours“) übergibt. Mike trifft während dieser Zeit Menschen, die ihn auf Parties einladen, er lässt sich treiben und erlebt die Dinge fast unbeteiligt. Er lernt Liz kennen, ergreift aber keinerlei Initiative. Jegliche Art romantischer Ambition läuft ins Leere, wird gar nicht erst sichtbar. Dann kehrt Mark zu früh zurück und Mike wird gezwungen, Wohnung und Job wieder abzugeben. Der kurze Aufenthalt hat ihn nicht verändert. Wieso denn auch? Im normalen Leben ist das schließlich auch meistens nicht der Fall.

Seiner Liebe zum Analogfilm verleiht der Filmemacher, Übersetzer und Kritiker Ted Fendt unter anderem auch als Filmvorführer am New Yorker Lincoln Center Ausdruck. Die körnigen Bilder von SHORT STAY wirken in der Begrenzung durch das 25-mm-Objektiv ausschnitthaft und vermitteln dennoch enorm viel Raum und Atmosphäre. Viele Begebenheiten sind von realen Ereignissen inspiriert, die Charaktere speisen sich aus dem eigenen Freundeskreis, die Darsteller sind alle Laien.

Die Figur des Mike kommt nicht aus der eigenen Haut heraus, bleibt gänzlich undurchsichtig und steht doch mitten im Geschehen. Mit dem schnellen aber behäbigen Gang, der ökonomischen Art der Kommunikation, der leicht gebeugten Haltung und der bis ins Trotzige gesteigerten Passivität bricht sein Charakter mit den Konventionen des Filmemachens. Der Film feiert die Erhebung des Nebendarstellers zum Hauptdarsteller und verschiebt den Fokus auf das Periphere. Dass er analog gefilmt ist, kann dann auch als Kommentar auf die Filmbranche gelesen werden.

In gewisser Weise erinnert SHORT STAY an einen anderen Film aus dem Forum, ISOLATION OF 1/880000 von Sogo Ishii. Der mittellange 8-mm Film, der in der Sonderreihe „Hachimiri Madness – Japanese Indies from the Punk Years“ zu sehen ist, hat ebenfalls einen jungen Mann im Fokus, der im eigenen Körper und mit den eigenen Unzulänglichkeiten feststeckt. Wer kann, sollte sich beide Filme ansehen, solange es möglich ist.