Es ist wieder soweit: Vom 11. bis zum 21. Februar wird der Potsdamer Platz zum Umschlagpunkt von Filmbegeisterten aus aller Welt, wenn die 66. Berlinale mit über 400 Filmen die Stadt in ein großes Lichtspiel verwandelt. FRAGMENT FILM wirft einen Blick auf das Programm und ausgewählte Filme einiger Sektionen.
HAIL, CAESAR! von den Coen Brüdern wird den Wettbewerb der diesjährigen Filmfestspiele am 11. Februar eröffnen. Zu unseren Favoriten gehört jetzt schon THE SEASONS IN QUINCY: FOUR PORTRAITS OF JOHN BERGER im Berlinale Special, welcher dem Schriftsteller und Kunstkritiker John Berger gewidmet ist. Wir freuen uns auch auf Anne Zohra Berracheds 24 WOCHEN: Auf der 63. Berlinale präsentierte Berrached ihren Film ZWEI MÜTTER in der Perspektive Deutsches Kino und überzeugte damit nicht nur die Jury „Dialogue en perspektive“ des DFJW, in der übrigens auch FRAGMENT FILM Redakteurin Tatiana Braun saß. Das komplette Programm findet sich hier.
Das Panorama beleuchtet derweil mit mehreren Filmen das Thema Kinderwunsch. In Rebecca Millers MAGGIE’S PLAN verfolgt eine eifrige Greta Gerwig ihren Wunsch Mutter zu werden bei einem Gurkenverkäufer und landet schließlich bei einem verheirateten Ethan Hawke – oder vielleicht doch nicht? In David Farrs Spielfilmdebüt THE ONES BELOW – einem stilistischen Mix aus Hitchcock und Polanski – wird der Kinderwunsch einem Paar zum bitteren Verhängnis, als es sich mit dem benachbarten Pärchen auf eine unheilvolle Freundschaft einlässt. Auch in Ali Abbasis SHELLEY steht der Kinderwunsch unter dunklen Vorzeichen: Ein dänisches Paar, das selbst keine Kinder bekommen kann, will seine rumänische Haushaltshilfe als Leihmutter engagieren. Der an Mary Shelley’s Frankenstein angelehnte Titel lässt dabei kein Happy End vermuten.
Filme aus dem arabischen Raum bilden den regionalen Schwerpunkt des 46. Forums, das insgesamt 44 Filme umfasst. In A MAGICAL SUBSTANCE FLOWS INTO ME begibt sich die Filmemacherin Jumana Manna auf die Spurensuche des deutsch-jüdischen Musikethnologen Robert Lachmann, der 1930 in seiner Radiosendung „Oriental Music“ die musikalischen Traditionen und Färbungen Palästinas untersuchte. In HOUSES WITHOUT DOORS verbindet der armenisch-arabische Filmemacher Avo Kaprelian den Krieg in seiner Heimat Syrien mit dem Genozid an den Armeniern im Jahr 1915. Bilder des Leidens und der Zerstörung verschmelzen dabei mit poetischen, experimentellen Elementen, sodass die Melancholie einer doppelt verlorenen Heimat zum Tragen kommt.
In ihrem Spielfilmdebüt BADEN BADEN lässt Rachel Lang ihre Protagonistin Ana in feinster Slacker-Manier nach abgebrochenem Job zurück in die Heimat Straßburg fahren, um sich dort mit dem Ausbau des großmütterlichen Badezimmers zu beschäftigen und alte Liebschaften aufzuwärmen. Ebenfalls auf Spurensuche begibt sich Ulrike Ottinger mit ihrem dokumentarischen Film CHAMISSOS SCHATTEN. Die zwölf Stunden lange Filmarbeit geht Expeditionen Weltreisender von Alaska über Tschukotka bis Kamtschatka nach und implementiert dabei Versatzstücke fiktiver Elemente und eigener Beobachtungen. Philip Scheffner hat gleich zwei Filme im Forum. Während HAVARIE durch zeitliche Dehnung und versetzte Tonspur den Zustand eines im Mittelmeer treibenden Flüchtlingsbootes experimentell erfahrbar machen will, knüpft AND-EK GHES…, bei dem Colorado Velcu Co-Regie führte, in gewisser Weise an Scheffners REVISION (Forum 2012) an und begleitet die Familie Velcu in Berlin.
In der Reihe „Hachimiri Madness: Japanese Indies from the Punk Years“ werden 11 neu digitalisierte und untertitelte japanische 8-mm Filme aus den Jahren 1977 bis 1990 gezeigt, die zum Teil noch nie international zu sehen waren. ISOLATION OF 1/ 880000 von Sogo Ishii ist eine kleine Praline unter ihnen. Der mittellange Film begleitet einen gehbehinderten, sexsüchtigen Nerd bei einer Tour de Force um die nicht glücken wollende universitäre Aufnahmeprüfung.
Das Forum hat in diesem Jahr erstmals ein eigenes Magazin, das hier abrufbar ist.
Die Woche der Kritik geht außerdem in die zweite Runde. Vom 11. bis 18. Februar werden im Hackesche Höfe Kino jeweils um 20 Uhr Filme gezeigt und anschließend diskutiert. Wieder stehen die einzelnen Abende jeweils unter bestimmten Themenkomplexen. Denis Côté, der zuletzt 2013 mit VIC ET FLO ONT VU UN OURS im Wettbewerb und 2014 mit JOY OF MAN’S DESIRING im Forum vertreten war, buhlt nun mit BORIS SANS BÉATRICE um einen Goldenen Bären während die Woche der Kritik seinen Kurzfilm MAY WE SLEEP SOUNDLY gepaart mit Andrzej Zulawskis COSMOS unter dem Programmpunkt „Weltenbauen“ zeigt. Côté wird anschließend auch für die Debatte anwesend sein. Neben Côte sind auch Sara Fattahi, Philippe Grandrieux oder Tatjana Turankskyj Gäste der Woche. Zuletzt war Turanskyj 2014 mit TOP GIRL ODER LA DEFORMATION PROFESSIONELLE im Programm des Forums zu sehen, jetzt ist sie unter dem Themenpunkt „Zeitgeist“ mit Regiekollegin Marita Neher und dem vielsagenden Titel ORIENTIERUNGSLOSIGKEIT IST KEIN VERBRECHEN im Programm der Woche vertreten. Im Gegensatz zum letzten Jahr, gibt es am Publikumstag (21.02.) Wiederholungen der Filme (ohne Diskussion).
Mehr Informationen zum Programm gibt es auf der Webseite der Woche der Kritik.
Für Ungeduldige geht die Berlinale schon am 10. Februar los, wenn das 11. Forum Expanded seine Ausstellung „Traversing the Phantasm“ in den Räumlichkeiten der Akademie der Künste am Hanseatenweg eröffnet. Mehr dazu gibt es hier.