(K)ein Abgang einer Kinoikone

Elle s’en va von Emmanuelle Bercot

Bettie (Catherine Deneuve) lebt mit ihrer Mutter in einem kleinen bretonischen Dorf, wo die beiden ihr eigenes Restaurant haben. Eines Abends erfährt sie von ihrer Mutter, dass ihre langjährige Liebe eine jüngere Frau gefunden hat. Von dieser Nachricht sichtlich aufgewühlt, verlässt sich am nächsten Morgen im hektischen Betrieb des Restaurants das Haus und steigt ins Auto auf der Suche nach neuen Zigaretten.
Ihre Reise auf der Suche nach einem Laden um Zigaretten zu kaufen, führt sie zu einem alten Bauern, der ihr von seiner traurigen Liebesgeschichte erzählt und dass er seit seiner ersten Freundin, die mit 21 Jahren an Tuberkulose gestorben ist, nie mehr geheiratet hat und seit dem bewusst immer alleine geblieben ist. Es verschlägt sie weiter in eine Bar, in der sie Marco (Paul Hamy) kennenlernt, der vom Alter her ihr Sohn sein könnte. Als sie am nächsten Morgen ungewollt zusammen mit ihm im Bett aufwacht, er von ihrer vergangenen Schönheit schwärmt und ihr dabei seine Liebe gesteht, verlässt sie fluchtartig das Hotel und fährt weiter. Die Reise quer durch Frankreich bringt sie nun auch wieder mit ihrem Enkel Charly (Nemo Schiffman) zusammen, dem Sohn ihrer einzigen Tochter Muriel (Camille), mit der sie sich zerstrittenen hat.
Ihr Roadtrip endet schließlich bei Alain (Gérard Garouste), dem Vater von Muriels Ex-Ehemann, zu dem Bettie ihren Enkel bringen sollte.

Wie schon in der Filmbeschreibung steht, hat Emmanuelle Bercot die Rolle der Bettie explizit für die Kinoikone Catherine Deneuve geschrieben und sie somit bewusst zum zentralen Charakter dieses Films gemacht. Der stellenweise etwas zu lang geratene Roadtrip präsentiert sich wie eine Art Reflexion über die Figur der Deneuve als Kinoikone und ihrer Karriere. Vielleicht nicht ohne Grund, zeigt daher der Film gleich in den ersten Minuten ein paar establishing shots des Dorfes in dem Bettie und ihre Mutter ihr Restaurant haben und endet dabei auf der Einstellung eines Kinos. Ebenso paradigmatisch hierfür scheint die Eingangsszene des Films, in der die Deneuve an einem Strand spazieren geht und die Kamera dabei ganz nah bei ihr ist und nur die für sie typische blonde Mähne von hinten zeigt. In einem Insert sehen wir danach die Nahaufnahmen eines Schwarzweiß Fotos einer jungen Dame, von der sich später herausstellt, dass es sich um Bettie in jungen Jahren als Miss Bretagne handelt. Im letzten Gegenschuss dieser Eingangssequenz sehen wir wie Bettie sich schließlich umdreht und scheinbar in Richtung dieses Fotos „schaut“, so als ob Bettie / Deneuve auf ihre Vergangenheit zurückblickt. Schon der Verweis auf Bettie als Schönheitskönigin, erscheint wie eine bewusste Verbindung zur Person Deneuve und ihrem Image als Kinoschönheit.
Aber auch die Unterhaltung mit dem Nachwächter Carimi in einem Möbelhaus an der Straße, in dem sie Unterschlupf vor dem Regen gesucht hat, scheint wie ein Kommentar über die Karriere der französischen Schauspielerin. So erzählt Bettie dem Nachtwächter die Geschichte von ihr und ihrem Mann und ihren jeweiligen Liebhaber, die durch einen Zufall alle von einander erfahren haben. Die Geschichte erscheint in ihrer Skurrilität und Witzigkeit schon fast dem Drehbuch einer Komödie entsprungen zu sein, in der Deneuve mitgespielt haben könnte.

Der Titel des Films, ELLE S’EN VA, lässt sogar noch eine weitere Deutung zu. Die englische Übersetzung des Titels (On my may) ist jedoch nicht ganz so eindeutig ist wie das Original: Der Titel „Elle s’en va“, auf Deutsch wörtlich übersetzt „Sie geht“, suggeriert eine fast schon aktive und bewusste Aktion des Weggehens seitens Bettie. In diesem Licht erscheint der Film somit nicht nur wie ein Selbstfindungstrip der Figur Bettie, sondern auch der Schauspielerin Catherine Deneuve, die damit eine Art Reflexion über sich selbst, ihre Rollen und ihr Image in der Kinowelt betreibt. Kurz: was ist gewesen und was wird kommen, von der Kinoikone Deneuve, die in diesem Jahr 70 wird? Eine Frage die – wie man beim Small Talk erfahren konnte – sich nicht nur viele Zuschauer und Kritiker hier auf der diesjährigen Berlinale (gewollt und ungewollt) gestellt haben, sondern vielleicht auch die Schauspielerin selbst.
Fast schon versöhnlich erscheint daher die letzte Szene als Bettie und Alain zusammen gefunden haben und der Film vor landschaftlicher Idylle mit den Worten „Das Leben geht weiter“ endet und die Figur Bettie und die Schauspielerin Deneuve zu Erkenntnis gekommen sind, dass das Alter kein Grund ist aufzuhören.