Monotonie und sterile Ästhetik – Fehlanzeige

Eindrücke vom siebten Pornfilmfestival Berlin

Vom 24. bis 28.10.2012 fand das siebte Pornfilmfestival Berlin (PFFB) im Moviemento in Berlin Neukölln statt. Das Festival zeigte ein breites Spektrum an Produktionen zum Thema, das von Dokumentar-, Kurz-, Experimental- bis zu Spielfilmen reicht und Neuheiten ebenso umfasst wie Klassiker. Der Schwerpunkt in diesem Jahr war eine großangelegte Retrospektive des „Golden Age of Porn“, mit Filmen von Redley Metzger, Wakefield Poole und Gerard Damiano. Gerahmt wurde das Filmprogramm von Workshops, Ausstellungen und Partys, u.A. im „Ficken 3000“ und im „Cloub Culture Houze“.

Das Publikum im Moviemento ist altersmäßig gut gemischt, insgesamt eher durchschnittlich, ganz ‚normal’ und unaufgeregt. Man fühlt sich wohl, nicht fehl am Platz, trotz mangelndem Pornfilm-Wissens. Herrlich selbstverständlich schaut man sich viele, viele Sexszenen mit anderen zusammen an, spricht danach mit den Filmemachern über deren Erfahrungen und Interessen, was anturnt, was nicht, über Lust, über gesellschaftliche Normen.

Auf dem Badge für Akkreditierte steht ‚Professional’ und nach vier Tagen hat man irgendwie auch das Gefühl ein bisschen dazuzugehören, ist abgehärtet, kann sich jeden ‚cumshot‘ angucken ohne zu erröten. Etwas das übrigens schon in den 70er Jahren zum Repertoir gehörte, genauso wie anale Penetration. Kennern mag dies bekannt sein, Pornofilmkonsumlaien nicht. Überhaupt überrascht die Vielfalt der gezeigten Pornos, die Tendenz zu humoristischen Einlagen, die teilweise wirklich überzeugend gespielten Szenen, die oft guten Schauspieler. Wie war das nochmal: Ein Pornofilm hat ja auch eine Handlung? Der Witz wird hier ad absurdum geführt, denn es stimmt, die Filme haben eine Handlung. Und so sind formal nicht nur die Ästhetik der Sexszenen interessant, sondern auch die Erzählstrategien und Narrativen der Filme.

Besonders spannend ist der Ausflug in das „Golden Age of Porn“, was sich laut PFFB zwischen den frühen 1970ern und frühen 1980ern entfaltete. Eine Zeit nach der ‚sexuellen Befreiung’ der 1968er, der Emanzipationsbewegung von Frauen, Homosexuellen. Eine Zeit in der sich „Jack Nicholson und Jackie Kennedy die Klinke in die Hand gaben, um in den großen Broadway-Filmpalästen einen Pornofilm zu sehen” (Quelle: Programmheft PFFB), in der die Pornos länger und filmisch interessanter wurden, und Autorschaft auch in diesem Genrezweig zu einer wichtigen Größe wurde. Radley Metzger und Wakefield Poole stehen im Rahmen des Festivals stellvertretend für diese neue Bewegung, wobei Letzterer sich dem Gay Porn widmete.

Ein Film über eine sexuelle Orientierung der anderen Art ist (A)SEXUAL (2011) von Angela Tucker, der sich Menschen mit dieser sexuellen Präferenz widmet. Also Menschen, die keinerlei Bedürfnis verspüren mit einer anderen Person eine sexuelle Beziehung einzugehen und schon Küssen als unangenehm empfinden. In unserer Gesellschaft ist Asexualität  etwas negativ konnotiertes, das mit Dysfunktionalität assoziiert wird.  Asexuelle seien nur blockiert, und hätten deshalb keine ‚Lust’ auf Sex, scheint die einhellige Meinung zu sein, wie Tucker eindrücklich anhand von Interviews und Ausschnitten aus Talkshows zeigt. Der Film ist deshalb auch die Geschichte des Kampfes einer Gruppe mit einer sexuellen Orientierung, die das worum es allen anderen Gruppen geht, auf den ersten Blick negiert: freie Sexualität. Dafür kämpfen asexuelle Menschen allerdings auch, nämlich um die Freiheit keinen Sex haben zu müssen, auch nicht wenn sie sich in einer ‚romantischen’ Beziehung befinden.

Überhaupt ist der Wunsch nach der Freiheit seine Sexualität so leben zu können, wie es einem jeden beliebt auf dem PFFB sehr präsent. Ein Highlight der pornografischen Aufklärung ist Buck Angels Film SEXING THE TRANSMEN (2011) in dem er transsexuelle Männer nach ihrem Sexualverhalten befragt. Wir erfahren von ansteigender Libido nach der Einnahme von Testosteron, dem Gefühl endlich im eigenen Körper angekommen zu sein, von Brustamputationen und dem Leben mit der Vagina. „Love your Vagina“ ist der Schlachtruf von Buck Angel, der damit keine feministische Geste kopiert, sondern dazu aufruft, sich in seinem Körper wohlzufühlen, auch wenn das bedeutet als Mann ein weiblich konnotiertes Geschlechtsteil zu besitzen. Buck Angel ist mit seinem im Reinen und zeigt es häufig vor der Kamera, wenn er in seinen eigenen Pornos auftritt.

Es geht um Lust, aber auch um die Befreiung von Normen, Festschreibungen, Kategorien und ästhetischen Zwangsvorstellungen. Auf dem PFFB sieht man nicht nur perfekte Körper, straffe Busen, riesige, ständig erigierte Riesenschwänze. CABARET DESIRE (2011) von Erika Lust zum Beispiel zeigt Menschen, die in einem erotisch aufgeladenen, strikt vom realen Leben getrennten Setting, ihre Phantasien, in ihrer Phantasie ausleben. Die Protagonisten haben kleine Makel, man sieht Schwangerschaftsstreifen, kleine Bauchansätze, Pickel, blaue Flecken und echte Schambeharrung (!). Stellungswechsel werden nicht herausgeschnitten und auf penetrante Nahaufnahmen wird verzichtet. Man erfährt gerade so viel über die Menschen, dass man sich in bester filmischer Tradition mit ihnen identifizieren und das Kino im eigenen Kopf  starten kann. Hier geht es nicht nur um Sex, sondern um Erotik, verspielt, lustvoll und wirklich sexy. Alles in allem noch immer sehr schön anzusehen, aber nicht mit dem Versprechen von Perfektion. So geht Porn also auch.