Show must go on…

Über die erfolgreiche HBO-Serie BOARDWALK EMPIRE

Ein Mann im dunklen Anzug und Hut steht im Wasser und blickt hinaus auf das unruhige Meer. Wir sehen ihn zunächst nur von hinten und unweigerlich erinnern das Motiv, die Komposition des Bildes und seine Farben an die Gemälde des belgischen Surrealisten René Magritte – auch wenn es sich bei dem Hut nicht um Magrittes Markenzeichen, die Melone handelt:

Filmstill aus dem Vorspann von Boardwalk Empire © Warner Bros.

Surreal ist auch die türkis-blaue Farbe des Himmels vor der sich die Wolken extrem abheben, welche sich im filmisch beschleunigten Modus von flauschig-weißen Cumulus-Schäfchen-Wolken zu dunklen, Unwetter ankündigenden, Cumulonimbus-Wolken ballen. Der Mann mit dem Hut und der roten Nelke am Revers, dessen Gesicht von markanten Furchen und tiefliegenden Tränensäcken geprägt ist, nimmt unbeeindruckt ein goldenes Etui aus seiner Brusttasche und zündet sich eine Zigarette an. Immer heftiger brechen sich die Wellen an den dunklen Felsen und am Strand und was nun kommt, könnte ebenfalls Motiv der Surrealisten sein: Zu den sich aufschaukelnden Takten des Songs der amerikanischen 90er Jahre Pycho-Rockband Brian Jonestown Massacre „Straight Up and Down“ aus dem Jahre 1996 werden zunächst ein paar wenige und anschließend zahllose kanadische Whiskey-Flaschen mit einfachem weißen Etikett und schwarzer Schrift an den Strand gespült – das ganze Meer scheint auf einmal voll von den Flaschen zu sein -, wenn sie nicht vorher schon an den Felsen oder dem Pier zerschellen. Unbeteiligt von dem Schauspiel, das sich ihm bietet, dreht sich der nun knöcheltief im Wasser stehende Mann um, das Wasser perlt an seinen edlen Lederschuhen ab als hätte es die soeben beschriebene Szene nie gegeben, und marschiert festen Schrittes auf die im Sonnenuntergang leuchtende Silhouette einer Großstadt – seiner Großstadt – zu: Atlantic City.

Filmstill aus dem Intro von Boardwalk Empire © Warner Bros.

Das Intro von BOARDWALK EMPIRE, dem „next big thing“ im amerikanischen Hochglanz-Seriensektor, ausgestrahlt von dem für exzellentes Seriengut bekannten US-amerikanischen Bezahlender Home Box Office und produziert von dem bereits für die SOPRANOS mit Preisen überhäuften Terence Winter sowie dem Altmeister des Gangsterfilms, Martin Scorsese, kann als ein Versprechen auf eine in jeder Hinsicht ausschweifenden Saga epischen Ausmaßes gedeutet werden und der Pilot der Serie hält, was er verspricht – bis jetzt. Bleibt abzuwarten, wie sich die in den USA soeben angelaufene dritte Staffel weiter entwickelt.

Wie bereits der Vorspann der Serie vermuten lässt, wird es in dieser Saga vor allem um die Geschicke eines Mannes gehen, dem Mann am Meer: Enoch „Nucky“ Thompson, gespielt von dem bisher im Mainstream-Kino meist unterschätzten und unterforderten Steve Buscemi. Dieser Mann ist der Schatzmeister und Strippenzieher im politischen und gesellschaftlichen Leben Atlantic City’s in den 1920er Jahren zur Zeit der Prohibition. Ausgestattet mit beeindruckenden rhetorischen Fähigkeiten, einem ausgesprochen guten Geschäftssinn und einem gewissen Maß an Kaltblütigkeit lenkt er die Geschicke seiner Stadt und sorgt zum einen für die resoluten Frauen der „Temperance League“ im Kampf gegen den Alkohol und zum anderen, dass letzterer in den zahlreichen Vergnügungsinstitutionen der Stadt niemals ausgeht.
Die Serie setzt in dem Moment ein, in dem die Prohibition in Kraft trat und den Weg für die so genannten „goldenen Jahre“ der Stadt frei machte und zeigt in opulenten Farb- und Bildkompositionen, wie diese Zeit der politisch aufgezwungenen Enthaltsamkeit zum maßlosen Reichtum und schnellen Aufstieg zahlreicher Gangster-Geschäftsmänner, wie unter anderem Al Capone und Johnny Torrio in Chicago sowie Lucky Luciano und Arnold Rothstein in New York führte, die den illegalen Handel mit dem Alkohol fest in ihren Händen hielten.

Nucky Thompson, der an der realen Figur des städtischen Schatzmeisters Enoch Lewis „Nucky“ Johnson orientiert ist, regiert sein Imperium aus Alkohol, Korruption und Prostitution als ein Patriarch, dem nichts geschenkt wurde und der sich seine Position schwer erarbeiten musste. Ihm zur Seite stehen dabei in geschäftlichen Angelegenheiten sein Bruder Elias „Eli“ Thompson (Sheah Whigham), der Sheriff von Atlantic City und sein Assistent und Mädchen für alles Eddie Kessler (Anthony Laciura). In Liebesdingen amüsiert er sich mit der vergnügungssüchtigen Lucy Danziger (Paz de la Huerta), ein ehemaliges Showgirl der Zigfield Follies am New Yorker Broadway. Diese beginnt ihn jedoch ziemlich rasch zu langweilen und er findet Interesse an der jungen Margaret Schroeder (Kelly Macdonald), die, wie auch er, irisch-katholischer Herkunft ist und deren grobschlächtigen Ehemann er kurzerhand aus dem Weg räumen lässt, um sich der jungen Mutter anzunähern. Die anfänglich etwas verschüchtert erscheinende Margaret Schroeder entpuppt sich als eine Frau, deren Intelligenz und geschäftlich-taktisches Geschick sich durchaus mit dem ihres neuen Partners messen kann. Enoch Thompson selbst ist unverheiratet und hat keine Kinder und es wird schnell klar, dass diese Figur weitaus komplexer ist, als dass sie lediglich einen macht- und geldhungrigen Patriarchen darstellt: Viel zu früh hat der als Junge unter seinem cholerischen Vater leidende Mann seine Ehefrau und das gemeinsame Kind verloren. Die Tatsache, dass er keine angenehme Kindheit hatte und selbst nie lange genug Vater war führte wohl auch dazu, dass er sich dem jungen, melancholischen Kriegsveteranen James „Jimmy“ Darmody (Michael Pitt) als väterlicher Freund zur Seite stellt und von diesem im Gegenzug kompromisslosen Gehorsam verlangt.

Die Figurenkonstellationen scheinen bereits nach dem Piloten einigermaßen klar zu sein – müssen sie auch, um den Zuschauer bei der Stange zu halten und nicht zu überfordern – und doch bietet das Spiel mit dem Feuer, in das alle Beteiligten mehr oder weniger involviert sind, Raum für zum Teil überraschende Persönlichkeitsentwicklungen. Sieht es in der ersten Staffel so aus, als würde für Nucky so weit alles glatt gehen – sein Favorit wird zum neuen Bürgermeister in Atlantic City und auch der politisch für ihn vorteilhafteste Kandidat wird Präsident der Vereinigten Staaten – ändert sich dies radikal in der zweiten Staffel. Nicht nur sein eigener Bruder intrigiert gegen ihn, sondern auch sein Ziehsohn Jimmy sieht sich zu Höherem berufen als zum ewigen Sidekick und versucht ihm sowohl auf dem politischen als auch auf dem geschäftlichen Terrain Konkurrenz zu machen. Außerdem sieht sich der Patriarch mit dem Mordverdacht an Margaret Schroeders verstorbenem Ehemann konfrontiert, der ihm politisch und gesellschaftlich den Hals zu brechen scheint.
Und dennoch bewahrt sich die kaltschnäuzige, aalglatte Figur des Nucky Thompsons bei allen Ränken und Intrigen eine gute Figur. Was zum einen an der überzeugenden Performance Steve Buscemis liegt, der mit seiner markant-schnoddrigen Stimme und auffälligen Physiognomie der Figur charakterliche Tiefe verleiht, zum anderen aber auch der Garderobière der Serie zuzuschreiben ist: Die Anzüge Nucky Thompsons sind handgeschneidert und vom besten Original-Material der Epoche. Meist trägt er dunkle oder erdfarbene Anzüge, wagt des Öfteren jedoch mehr Farbe, als man einem Geschäftsmann und Politiker wie ihm so zutrauen mag. Elementarer Bestandteil seines Anzugs ist die rote Nelke im Knopfloch:

Filmstill aus dem Vorspann von Boardwalk Empire © Warner Bros.

Die so genannte Boutonnière, ehemals Symbol der Unerschrockenheit der französischen Adligen während der Französischen Revolution beim Besteigen des Schafotts, später dann Symbol der Arbeiterbewegung und der Identifikation mit sozialistisch-kommunistischen Werten, wurde sie im 19. Jahrhundert Accessoire des Dandys. Der Dandy, der vor allem in der mondänen High-Society der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Großbritannien und Frankreich beheimatet war, zeichnete sich vor allem durch eine fatalistische fin-de-siècle-Einstellung mit einem Hang zum Narzissmus und zur Dekadenz aus und einer besonderen Bedacht auf Äußerlichkeiten. Der Dandyismus war es auch, der das Diktum „l’art pur l’art“ – der Kunst nur um der Kunst willen – prägte und verstand sich als Bewegung, deren Kunst und Leben nur sich selbst und der Schönheit und keinem anderen Zweck zu dienen habe. Bekannteste Vertreter einer solchen Kunstauffassung waren der irische Romancier und Novellist Oscar Wilde sowie die französischen Schriftsteller Gustave Flaubert und Charles Baudelaire. (Vgl. hierzu Erbe 2002: 7 – 23). Der typische Dandy war eher jung, adlig und Mitglied des zu Reichtum gekommenen Bürgertums. Er verbrachte seine Zeit zumeist damit, das familiäre Vermögen in Glücksspiel, aufwendige Klamotten, teure Pferde und anderem frivolen Zeitvertreib zu investieren und wurde am Ende mithilfe der einflussreichen Familie dennoch Minister (vgl. Erbe 2002: 8f).

Auch wenn die Zeit der Dandys in den 1920er Jahren schon längst passé ist und man bei Nucky Thompson keineswegs von einem typischen Dandy sprechen kann – allgemein gibt es in der Dandy-Forschung sowieso Uneinigkeit darüber, ob dieses gesellschaftliche Phänomen in seiner Reinform je wirklich existierte und nicht mit dem Ende des 19. Jahrhunderts untergegangen sei -, gefällt sich Nucky Thompson in seiner Rolle als Gentleman, als rhetorisch geschickter „Konversationist“, dem es gelingt alle Parteien auf seine Seite zu bringen, als derjenige, der den Ton angibt, dessen kluger Witz und kompetente Leitung gleichermaßen gefragt sind. Enoch Thompson ist ein Selfmade-Mann, der es dank seines taktischen Geschicks und seiner geistigen Überlegenheit in die Position geschafft hat, in der er sich befindet. Er tritt als ein Künstler auf, dessen Kunst sein Leben selbst ist und Symbol dessen, was er erreicht hat und noch erreichen kann. Wie der Dandy des 19. Jahrhunderts zeichnet er sich durch einen gewissen Selbstkult, einem Hang zur Ironie, zur Impertinenz und Gefühlskälte aus (vgl. Erbe 2002: 9). Er sieht sich als ein Mann, in dessen Position es seiner Pflicht entspricht, das zu tun, was er tut. Außerdem scheint es ihm Spaß zu machen, das Taktieren, das Feiern und das Trinken. Für ihn ist das Leben ein Strategie-Spiel und er selbst ist ein schlechter Verlierer. Dementsprechend sieht man ihn in diesen zwei Staffeln selbst nie die Waffe in die Hand nehmen – nur in diesem einen Moment und gegen diese eine Person, die ihm und seiner Überlegenheit nicht den entsprechenden Respekt zu zollen bereit war. Der Dandy ist eine Figur, die erst durch ein wirtschaftlich erstarktes Bürgertum und eine langsam an politischer Bedeutung verlierende Aristokratie möglich wurde (vgl. Erbe 2002: 16ff). In den USA, in denen der Adel immer schon wenig und das bürgerlich-kapitalistische Erwerbsdenken immer schon große Bedeutung hatte, kann sich Nucky Thompson, einem modernen, kapitalistischen Dandy gleich, „auf seine Kreditwürdigkeit und auf die Bereitschaft der Gesellschaft, für das Schauspiel, das er bietet [oder in diesem konkreten Fall: bereit stellt], zu zahlen“ (Erbe 2002: 19) verlassen.

Bei BOARDWALK EMPIRE haben jedoch nicht nur die historische Rechercheabteilung und das Kostüm ganze Arbeit geleistet, auch die Ausstattung ist von einer Perfektion und Detailverliebtheit, die ihresgleichen sucht. Ganz nebenbei werden hier, die für die damalige Zeit neuesten technischen Errungenschaften zur Schau gestellt, wie beispielsweise Inkubatoren, Staubsauger oder Toaster, um nur einige davon zu nennen. Man fragt sich, wo haben die diesen ganzen Kram aufgetrieben und wieviel mag das Ganze wohl gekostet haben?
Sowieso wird bereits in der Pilotfolge mehr als deutlich, dass hier ein enormes Budget vorhanden ist. Allein diese erste Folge kostete laut Show- und Lifestyle-Magazin Variety 18 Mio. Dollar, wovon beinahe ein Drittel für den Nachbau der Strandpromenade von Atlantic City auf einer freien Fläche in Brooklyn, New York, aufgewendet wurde. Die Schauspieler scheinen sich in einer perfekten Kopie des historischen Altlantic City der 20er Jahre zu bewegen, tatsächlich spielen sie jedoch vor ein paar Kulissen und einigen blauen Wänden, die hinterher mithilfe digitaler Nachbearbeitung, den glamourösen Boardwalk mit all seinen Cafés, Bars, Hotels und Läden auferstehen lassen. Die Bilder sind überladen von kräftigen Farben, Werbetafeln, blinkenden Anzeigen und leuchtenden Inschriften – überall ist Zirkus, Jahrmarkt und Show unterlegt mit dem swingig-jazzigen Sound der Goldenen Ära:

Filmstill aus der sechsten Episode der ersten Staffel von Boardwalk Empire © Warner Bros.

Die Serie inszeniert eine Epoche, die wie keine andere unsere jetzige Gegenwart geprägt hat. Erst die Prohibition bildete den Nährboden für die Entwicklung der organisierten Großkriminalität in den US-amerikanischen Großstädten und zur Ausbildung illegaler Warentransportwege nach Kanada, Südamerika und Übersee, die sicherlich noch bis heute ihre Wirkung zeigen. Die 1920er waren geprägt von einem ausschweifenden Drang nach Unterhaltung und Vergnügen – die Menschen hatten einen ersten Weltkrieg hinter sich, die große Weltwirtschaftskrise von 1923 war noch weit weg – und mit der fortschreitenden Industrialisierung kamen auch die großen Erfindungen der Neuzeit: das Auto, die Automaten und Maschinen, die Fotografie und natürlich das Kino. Gerade auch in diese Zeit fiel auch der Aufstieg der großen US-amerikanischen Filmproduktionsfirmen, wie beispielsweise Metro Goldwyn Mayer, die, 1924 gegründet, wie keine andere Firma so erfolgreich für den rasanten Aufstieg und die Etablierung des klassischen Hollywood-Systems stand, bei der die großen Produktionsfirmen den Film von seiner Entstehung bis hin zur Fertigstellung, das heißt von der Produktion des Films bis zu seiner Distribution und Projektion in den Lichtspielhäusern kontrollierten. Die großen Studios arbeiteten quasi wie industrielle Film-Fabriken, in denen jeder Schritt vom Drehbuch bis hin zur Postproduktion im eigenen Hause stattfand. Die großen Firmen entwickelten so meist einen eigenen Stil, quasi eine Art Markenimage, die die eigene Handschrift des Regisseurs oft überlagerte, da dieser im Gesamtprozess nur einen kleinen Teil einnahm, wurde ihm doch nur selten Einfluss auf die Postproduktion der Filme gewährt. Im Grunde trafen die Studio-Chefs und deren Art-Direktoren die letzten ökonomischen und künstlerischen Entscheidungen. Die Filme von MGM beispielsweise zeichneten sich vor allem durch eine ganz besondere Ästhetik aus, die sich vor allem in publikumswirksamen, leicht verdaulichen Stoffen und einer sehr aufwendigen Ausstattung und Beleuchtung auszeichneten. (Vgl. Monaco 2006: 244ff) Ansatzweise scheinen auch die großen Film- und Fernsehproduktionsfirmen unserer Tage so zu funktionieren. Mit jeder weiteren Hochglanzserie konstruiert sich der US-amerikanische Bezahlender HBO ein Markenimage, das für eine gewisse künstlerische Freiheit in der Wahl der Themen, aber auch für einen, im allgemein eher als protestantisch-prüde bekannten Amerika, sehr lockeren Umgang mit der Darstellung von Gewalt und Sexualität steht. Weiteres Merkmal sind die beinahe schon als hyperrealistisch erscheinenden Bilder, die einem sicherlich nicht ganz bescheidenen Budget und einer äußerst kompetenten Ausstattung und Postproduktion geschuldet sind. In der zeutgenössischen Fernseh-Serie erreicht der Kinofilm also nicht nur visuell einen Status als „Überfilm“, sondern auch von einem storytechnischen oder narratologischen Aspekt her, indem die Charaktere und deren Geschichte über die üblichen eineinhalb bis zwei Stunden hinaus weiter entwickelt werden können. So sagte auch Martin Scorsese, der bereits eine weitere Serie über die Geschichte des Rock’n Roll zusammen mit Terence Winter und HBO in der Mache hat:

”What’s happening the past 9 to 10 years, particularly at HBO, is what we had hoped for in the mid-Sixties with films being made for television at first. We’d hoped there would be this kind of freedom and also the ability to create another world and create longform characters and story. That didn’t happen in the 1970s, 1980s and in the 1990s I think. And of course…HBO is a trailblazer in this. I’ve been tempted over the years to be involved with them because of the nature of long-form and their development of character and plot.”
(Scorsese bei Finke 2010: www)

BOARDWALK EMPIRE mit seinem System an Spielern, Politikern und Gangstern zeigt uns gleichsam die Pervertierung des politischen und wirtschaftlichen Systems während der Prohibition unter dem Aspekt des ewigen „show must go on“ und steht gleichzeitig für ein neues Film- und/oder Seriensystem in der Gegenwart. Gleichzeitig dämmert dem geneigten Zuschauer bald, dass diese Haltung des Spieler-Politikers und erfolgreichen Kapitalisten, personifiziert in der Figur Nucky Thompsons, uns aus unserer eigenen Gegenwart in der gute Politik mit gutem Entertainment gleichgesetzt wird und öffentliche TV-Duelle durch denjenigen entschieden werden, der das größere Unterhaltungs- und Angriffspotential zu bieten hat, nicht ganz unbekannt zu sein scheint.
Es ist klar, dass BOARDWALK EMPIRE nicht nur auf die mehr oder weniger fiktive Darstellung realer Tatsachen abhebt, sondern auch eine Parabel sein will für unsere unmittelbare Gegenwart: Für den entfesselten Kapitalismus, für ein neues „System Hollywood“ und eine neue Art des Filmemachens und ästhetischen Kinodenkens.

Denken wir zurück an das Intro der Serie, sehen wir all diese Aspekte bereits darin angedeutet. In der Figur Nucky Thompsons personifiziert sich das aufstrebende Gangstertum der 1920er Jahre. Der sicher nicht ganz billige hyperrealistische VFX-Himmel, vor dem sich die Skyline einer Stadt abzeichnet, die das Symbol der Vergnügungskultur des 20. Jahrhunderts an der US-amerikanischen Ostküste darstellt, erinnert unwillkürlich an die Entertainment-Industrie Hollywoods und die Budgets der großen Leinwandstreifen der letzten beiden Jahrhunderte. Wahrscheinlich steht sie aber auch für eine neue Art der Fernseh- und Filmkultur des 21. Jahrhunderts…

Quellenverweise:

Erbe, Günther (2002): Dandys - Virtuosen der Lebenskunst. Eine Geschichte des mondänen Lebens. Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag.

Monaco, James (2006): Film verstehen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.

Martin Scorsese bei Nikki Finke am 07.09.2010: TCA: Why Marty Scorsese Is Now Doing TV. www: http://www.deadline.com/2010/08/tca-why-marty-scorsese-decided-to-do-tv/. Abgerufen am 20.10.2012