Roman Polanski und Woody Allen. Sie sind Regisseure zahlreicher ‚Kultfilme‘, Oscarpreisträger und Zeitgenossen: Allen ist Jahrgang 1935, Polanski 1933. Sie können auf eine sehr abwechslungsreiche Karriere mit allen Höhen und Tiefen blicken und haben beide ein Faible für sehr junge Frauen, was ihnen im Leben mehr oder weniger Unannehmlichkeiten beschert hat.
Ihnen waren auf dem diesjährigen Festival in Cannes gleich zwei Dokumentarfilme gewidmet: zum einen Robert B. Weides WOODY ALLEN: A DOCUMENTARY und zum anderen Laurent Bouzereaus ROMAN POLANSKI: A FILM MEMOIR.
Laurent Bouzereau beginnt seinen Film zwar mit der skandalträchtigen Verhaftung Roman Polanskis 2009 in der Schweiz, als der Regisseur auf dem Weg nach Zürich war, wo er den Zürcher Filmpreis für sein filmisches Schaffen erhalten sollte. Leider bleibt der Film jedoch zu oberflächlich, unreflektiert und einseitig. Die gewollt ‚lockere‘ Interviewsituation – die Fragen stellt Andrew Braunsberg, Polanskis langjähriger Freund und Filmproduzent -, die aber eher gezwungen und vor dem Hintergrund der damals aktuellen Ereignisse eher wie eine Vernehmung erscheinen, soll eine ‚intime‘ Nähe zur Person Polanskis entstehen lassen, was jedoch nicht so recht gelingen will. Wir erfahren viel über die frühe Kindheit des Regisseurs mit seiner Familie in Paris, den Umzug nach Krakau, der sich für die jüdische Familie als fatale Entscheidung herausstellen sollte, sein Leben im Krakauer Ghetto während des Zweiten Weltkriegs, die Zersplitterung der Familie und den Verlust der Mutter im KZ und später dann das schwierige Verhältnis zu seinem Vater, einem KZ-Überlebenden, sowie seine ersten Schauspielversuche in Polen bis hin zu seiner Übersiedelung in die USA und seine ersten filmischen Erfolge dort.
Es geht vor allem um die schweren Schicksalsschläge im Leben des Regisseurs: um seine Kindheit in Polen und den Parallelen zu seinem mit der Goldenen Palme und dem Oscar ausgezeichneten und wohl biografischsten Film DER PIANIST, um die Ermordung seiner ersten Ehefrau, der Schauspielerin Sharon Tate, durch die Charles Manson Gruppe, sowie um die Geschichte mit dem Sex mit der Minderjährigen und seiner anschließenden Flucht aus den USA.
Leider kommt dabei das Leben Polanskis als Regisseur zu kurz. Der Film emotionalisiert vor allem durch die Demonstration der schweren Momente in seinem Leben, wobei auch in der Darstellung der Ereignisse aus dem Jahre 1977 – Polanski habe damals eine Minderjährige unter Alkohol- und Drogeneinfluss verführt, was im US-amerikanischen Gesetz gleichbedeutend mit einer Vergewaltigung ist – die schließlich zu dem Prozess und der Verhaftung 2009 führten, relativ einseitig und schwammig dargestellt werden. Ein paar Fotos aus dem privaten Familienalbum der Familie Polanski/Seigner – mit der französischen Schauspielerin Emmanuelle Seigner ist er seit 1989 verheiratet und hat zwei Kinder – soll uns den Regisseur als liebenden Familienvater nahe bringen.
Jedoch ist das Interview leider denkbar schlecht, Braunsberg legt Polanski die Antworten zu seinen Fragen teilweise in den Mund, Kritisches wird nicht hinterfragt, die Untermalung mit Privatfotografien und Zeitungsausschnitten wirkt platt.
Polanski berichtet von seiner Flucht aus den USA nach Europa und seiner nachfolgenden Belagerung durch Journalisten – Polanski und Braunsberg scheinen sich sowieso sehr einig darüber zu sein, dass Polanski ein Opfer der Medien und des öffentlichen Skandalhungers ist. Um dem entgegen zu wirken, beauftragte der Regisseur damals eine befreundete Fotografin damit, Fotos von ihm bei alltäglichen Besorgungen zu machen. Diese Bilder lies er den großen Zeitungen zukommen in der Hoffnung, das Medieninteresse an seiner Person möge abflauen, was anscheinend tatsächlich der Fall war. So liegt der Verdacht nicht ganz fern, dass auch dieser Film ein solcher Versuch ist, nach den Ereignissen vor drei Jahren, den vermeintlich unersättlichen Medienhunger an der Person Roman Polanski durch das Hinwerfen einiger Informationsfetzen zu stillen. Leider kratzt der Film nur an der Oberfläche und kann keine der Interessensgruppen wirklich befriedigen, weder diejenigen, die sich eine Aufklärung der Skandale aus Polanskis Vergangenheit erhoffen, noch diejenigen, die eine reflektierte Auseinandersetzung mit seinem Leben und filmischem Werk erwartet hatten.
In seiner Dokumentation WOODY ALLEN: A DOCUMENTARY widmet sich Robert B. Weide etwas detaillierter der Entwicklung Woody Allens, der eigentlich Allen Stewart Konigsberg heißt, von seinen Anfängen als Witzeschreiber bei der Zeitung über seine Zeit als Kabarettist bis hin zum Filmemacher. Dabei kommen sowohl Kollegen und Bekannte Woody Allens als auch der Regisseur selbst zu Wort.
Der Schwerpunkt des Films liegt dabei seinen Werken der 1970er und 1980er Jahre mit den Komödien BANANAS (1971), TAKE THE MONEY AND RUN (1969), PLAY IT AGAIN, SAM (1971) und seinem künstlerischen Wendepunkt weg vom Klamauk zum ernstzunehmenden Autorenfilm mit ANNIE HALL (1977), in den er zum Teil autobiografische Elemente aus seiner Beziehung mit der Schauspielerin Diane Keaton verarbeitete. Neben seiner bevorzugten Arbeitstechnik – Allen schreibt all seine Filme auf derselben Schreibmaschine, die ihn von Anbeginn an begleitet – und der Durchforstung eines in seinem Nachttisch befindlichen Zettelwustes mit Ideen vor Beginn jedes neuen Projekts, behandelt der Film natürlich auch Allens Ehe und Scheidung von der Schauspielerin Mia Farrow, aufgrund seiner Beziehung mit der sehr viel jüngeren Soon-Yi Previn, Farrows Adoptiv- und zeitweise auch seine eigene Ziehtochter, sowie dem damit einher gehenden Skandal. Dieser bleibt jedoch Nebensache auch wenn der Film in dieser Hinsicht auch eher versöhnlich berichtet und kritische Fragestellungen unterlässt.
Leider kommen das musikalische Interesse Allens und seine neueren, meist europäischen Produktionen zu kurz – die Produktionen der 1990er und beginnenden 2000er werden überhaupt nicht erwähnt. Im Schnelldurchlauf kommen einige der Protagonisten der aktuelleren Produktionen zu Wort und berichten mehr oder weniger unisono, das, was man in zahlreichen Interviews bereits hundertfach gelesen hat: Allen sei ein wunderbarer Regisseur, der den Schauspielern viel Raum zur persönlichen Entfaltung lasse, diese mehr begleite als dirigiere, durch den Bekanntheitsgrad seiner Filme jedoch, die Schauspieler zu Höchstleistungen ansporne, aus deren Angst heraus, den Maestro zu enttäuschen.
Auch wenn der Film einige Stationen im Leben Woody Allens auslässt und über manches ein wenig zu oberflächlich hinweg fegt, bietet er dennoch eine differenziertere Sicht auf den Menschen und Regisseur Woody Allen als der Film Bouzereaus dies für Roman Polanski zu leisten vermag.