Anfang April zeigte das Kino Moviemento „Problemki Hotel“ von Manu Riche, im Rahmen der niederländisch-flämischen Filmreihe „Prachtige Films“ im Kino Moviemento. Der Film ist eine bittersüße Tragikkomödie über ein zum Flüchtlingsheim umfunktioniertes Bankgebäude in der Brüsseler Innenstadt, seine verschrobenen Bewohnerinnen und Bewohner und die Frage, wo der Weihnachtsbaum aufgestellt werden soll.
FRAGMENT FILM traf Teresa Vena, Kuratorin der Filmreihe auf ein Kokoswasser und eine Nudelbox am Alexanderplatz.
Wie bist du auf den Titel gekommen? Und in welchem Zusammenhang steht dieser zu deiner Filmauswahl?
Teresa Vena: Der Titel „Prachtige Films!“, das heißt übersetzt auf deutsch soviel wie „Tolle Filme“. Eigentlich bin ich nicht so ein Fan von so – kann man das in diesem Zusammenhang sagen? – sexy Titeln und wollte die Reihe „Filmreihe zu den Niederlanden und Belgien“ nennen, aber da haben mich die Profis vom Kino Moviemento überstimmt. [lacht]
Meine erste Idee war dann „Lekker Film“, das wäre schon sehr eingängig gewesen, nur dieses „lekker“ benutzt man nur in den Niederlanden und nicht in Belgien und die Belgier mögen es offenbar gar nicht und dann habe ich eben nach einem Synonym dafür gesucht.
Woher kommt deine Motivation eine Filmreihe aus Flandern und den Niederlanden zu planen? Und wie hast du die Filme ausgewählt?
Einerseits ist mir aufgefallen, dass die Niederlande und Flandern in Belgien Kulturregionen sind, die hier überhaupt nicht vertreten sind, auf den Festivals. Andererseits habe ich Familie in den Niederlanden, habe vor ein paar Jahren Niederländisch gelernt und mich mit der Sprachregion auseinander gesetzt und fühle mich ihr verbunden.
Ich hatte aber auch einfach das Gefühl, dass gerade auch auf der Berlinale in der letzten Zeit viel mehr gelaufen ist aus Belgien und den Niederlanden und ich wollte zunächst einmal nur für mich selbst mal schauen, ob und was es überhaupt so gibt an filmischem Schaffen aus dieser Region, um dann Material zusammen zu stellen für eine Filmreihe nach meinem Geschmack. – Nun ja, Material gibt es jede Menge! Und die Filmreihe zeigt eben einen Ausschnitt daraus.
Als Filmregion ist natürlich vor allem Wallonien bekannt – der französischsprachige Teil von Belgien – für seine sehr hochwertigen Produktionen und sehr guten Regisseure. Aber Flandern in Belgien – der niederländischsprachige Teil – hat eigentlich eine etwas längere Filmtradition.
Zwei der Filme drehen sich um die Themen Einwanderung und Migration, „Problemski Hotel“ von Manu Riche lief bereits am 8.4. und am 6.5. zeigst du „Snackbar“ von Meral Uslu. Findest du, dass diese Filme die flämisch-niederländische Gesellschaft sowie Belgien und die Niederlande als Einwanderungsländer ein Stück weit abbilden?
Ich glaube schon, ja. „Problemski Hotel“ spielt in Brüssel, in Belgien. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch eines meiner aktuellen flämisch-belgischen Lieblingsautoren, Dimitri Verhoelst. Ich mochte an diesem Film die Thematik, seine Machart und den sehr trockenen Humor. Aber gerade auch der filmische Versuch Multikulturalität darzustellen und ein Stück weit zu verstehen, haben mir sehr gut daran gefallen. Wie in allen Büchern von Dimitri Verholest gibt es am Ende keine Läuterung – von niemandem. Es ist definitiv kein klassischer Hollywood-Streifen, in dem ein paar Auserwählte am Ende dann doch noch das große Glück finden.
In den Niederlanden gibt es sehr sehr viele Einwanderer aus Marokko, die schon in der zweiten Generation dort leben, um die geht es in dem zweiten Film aus der Reihe: „Snackbar“ von Meral Uslu.
Der Film spielt hauptsächlich um einen Imbiss in einem Viertel in Rotterdam herum. Dort tummeln sich täglich junge Männer mit marokkanischem Migrationshintergrund, gehen zwischen Hamburgern und Fritten ihren kleinen Drogengeschäften nach und lassen die Tage an sich vorbei streichen.
Die Städte in den Niederlanden sind viel konzentrierter, sodass dort auch Probleme viel virulenter wirken, zumindest in den nur wenig durchmischten Vierteln, in denen dann sehr verschiedene Weltansichten und Lebenseinstellungen aufeinander prallen können. Meral Uslu, die Regisseurin, hat bereits sehr viele Dokumentarfilme gemacht und auch wenn „Snackbar“ kein Dokumentarfilm ist, kann man sich sehr gut vorstellen, dass das Leben dort so ähnlich sein könnte. Ich glaube schon, dass das recht realistisch ist für die niederländische Gesellschaft. Andererseits ist das ja auch extrem übertragbar, gerade auch auf die deutsche Realität, glaube ich. „Snackbar“ zeichnet sich auch durch einen unterschwelligen trockenen Humor aus, aber auch hier passiert letztendlich nicht sehr viel.
Die Charaktere sind zwar sehr stark untermauert, die Menschen und ihre Lebenssituationen bleiben so, wie sie sind. Was meiner Meinung nach viel realistischer ist.
Bei der Auswahl ging es mir aber eigentlich nicht unbedingt darum, Filme ausschließlich mit dieser Einwanderungs- und Migrationsthematik zu zeigen – wobei, jetzt wo du es sagst – finde ich es ja auch erstaunlich, dass beide eine ähnliche Thematik haben, aber mir haben diese beiden Filme einfach auch von ihrer Machart sehr gefallen.
Der dritte Film klingt dann nach einem klassischen Krimi.
Ja, genau, „D’Ardennen“ von Robin Pront ist ein starker Krimi mit Jan Bijvoet, den man ja aus „Borgmann“ von Alex van Warmerdam oder auch „Der Schamane und die Schlange“ von Ciro Guerre noch kennt. Was hierbei besonders interessant ist, ist tatsächlich die Sprache. Der Film hat französische und niederländische Teile und spielt zum Teil auch in den Ardennen, einer Region, die sich über Belgien, Luxemburg zu einem kleinen Teil aber auch über Frankreich und Deutschland erstreckt.
Der Film ist vor allem von der Bildsprache her sehr schön. Es ist einfach ein richtiger Unterhaltungsfilm, schnell erzählt und sehr spannend.
Warum hast du dich entschieden, nur relativ aktuelle Filme zu zeigen?
Das war einfach auch eine praktische Lösung. Das sind die Filme, die am unkompliziertesten zu zeigen waren, was die rechtliche Lage angeht, die mir aber trotzdem gefallen haben.
Im Vorfeld hatte ich mich auch viel mit Filmen ab den 1960er Jahren beschäftigt und für eine Fortführung der Reihe würde ich mindestens einen davon zeigen wollen.
Woran liegt das, dass die niederländischen Filme auf deutschen Festivals nicht so präsent sind?
Die Niederlande produzieren kulturell eigentlich sehr viel, konzentrieren sich allerdings aber auch mehr auf Literatur. Die Hochphasen des niederländischen Films waren in den 30er Jahren und dann erst in den 70ern wieder. Mit dieser Phase ist dann auch der Name Paul Verhoeven verbunden.
Die Filme zeichnen sich alle durch einen schwärzeren, bitteren Humor aus. – Ist das ein Merkmal der Filme aus der Region? Und wenn ja, womit hängt das wohl zusammen?
Ja, es ist vor allem dieser trockene Humor, wie man ihn eigentlich auch bei den Dänen wiederfindet. Das niederländische Kino ist eher unbequem: Gerade Filmemacher wie Paul Verhoeven, Theo van Gogh oder auch Alex van Warmeidam rütteln sehr stark an den Konventionen der Bürgerlichkeit. Vielleicht liegt ja gerade hier der Knackpunkt.
Und eine Frage zum Schluss: Werden den Gäste, Filmemacher oder Schauspieler der Filme erwartet?
Leider nicht. Dafür gibt es aktuelles, ungewöhnliches Kino aus einer filmisch nicht sehr bekannten Region und frisches Popcorn im Kino Moviemento mitten in Kreuzkölln.
Die Fragen stellte Tatiana Braun
„Prachtige Films“ zeigt am 6.5. im Kino Moviemento (Kottbusser Damm 22, 10967 Berlin) in Kreuzberg „Snackbar“ von Meral Uslu und am 17.6. „D’Ardennen“ von Robin Pront.